
Bockenheim, Samstag, den 29. März 2025. Ein Beitrag von Birgit Heid.
Im Herbst 2024 war Dr. Michael Werner mit der Bitte um die Schirmherrschaft des Literarischen Vereins der Pfalz auf Birgit Heid zugekommen. Selbstverständlich hatte sie gerne eingewilligt und war auch an der Jury der Texte beteiligt gewesen.
Nach dem Eingangslied „Hajo“ von Martina Gemmar und der Einführung durch Michael Werner richtete sie einige Grußworte an das Publikum im Empfangsraum des Weinhauses Griebel in der Weinstraße 50 in Bockenheim. Unter anderem stellte sie kurz den Lit. Verein vor, bevor sie die Besonderheiten der Mundart in der heutigen Zeit skizzierte.
Michael Werner erklärte den Start der neuen Bockenheimer Reihe mit dem Wegfall des Mundartdichterwettstreits in Dannstadt-Schauernheim im Jahr 2023. Er erzählte, die Entscheidung für den „Pälzer Prosa Preis” sei keine leichte Aufgabe gewesen, weil die Organisation mit zusätzlicher Arbeit verbunden sei und weil darüber hinaus die Reihe verstetigt werden solle. Von 23 Einsendungen seien durch die achtköpfige Jury sieben Texte bewertet und ausgewählt worden. Die Texte sollten maximal sechs Minuten Lesezeit beanspruchen.
Rudy Kupferschmitt aus Ludwigshafen las seinen Text „Es werd duschber“ sicher und gewandt vor. Er handelt von einem alten Mann, der in der Winterzeit vom Balkon aus in den Garten schaut und über die Zeit sinniert, als die Kinder noch klein waren. Er steigt langsam die Treppe hinab, die Zimmer haben ihre früheren Funktionen verloren, auch sein Bett steht mittlerweile im Esszimmer. Seine erwachsenen Kinder leben weit weg, er ist auf Betreuung angewiesen. Über die Feiertage ist die Kurzzeitpflege vorgesehen. Zufälligerweise erfährt er vom Maklervertrag zum Verkauf seines Hauses. Er setzt sich noch einmal in den Liegestuhl im Garten.
Die Erzählung Angelika Futterers aus Bruchsal heißt „E scheens Alder“. Die Ich-Erzählerin fragt sich, welches Alter ein schönes sei. Auf der Geburtstagseinladung vom Klärle beobachtet sie den neunzigjährigen Fritz, wie er charmant mit einer roten Rose das Klärle um den Finger wickelt und von den Abenteuern des Krieges erzählt. Klärle ihrerseits ist mit 99 Jahren noch immer herausgeputzt. Nach dem Fest beim Heimgehen erwähnt er, dass er bald das Haus verlassen müsse. Das schöne Alter indes ist noch immer nicht gefunden.
Hermann Settelmeyer aus Lingenfeld las gekonnt seinen Beitrag „Annerie Zeit – annerie Welt“ vor, in dem es um die damalige Kindheit und die Nachmittagsbeschäftigungen im Sommer geht. Im Zentrum steht ein sumpfiger Weiher, in dem die Buben sich selbst das Schwimmen beibrachten und kleine Abenteuer erlebten. Rückblickend liest er, war die Zeit für Kinder anders wie heute. Mut, Selbständigkeit, Freiheit und Hilfsbereitschaft waren seinerzeit die prägenden Elemente. Im Herxheimer Waldschwimmbad habe er die Schwimmzüge der Erwachsenen nachgeahmt.
Cornelius Molitor aus Kaiserslautern, der auch Bandleader der Pälzer Cantry Bänd ist, trug zum Erstaunen der Gäste seine Erzählung „Dorfdisco am Dunnerschberg“ nicht nur mit lebhafter Stimme und Geste, sondern auch auswendig vor. Während die Mädels gerne tanzen, stehen die Jungs mit Colabier am Tresen, wollen cool wirken, aber trauen sich nicht so recht. Selbst wenn sie angesprochen werden, lehnen sie schmallippig ab und zogen über sie her. Doch die in der Disco auftauchenden amerikanischen Soldaten ziehen die Blicke der Tänzerinnen auf sich, sie können tanzen und haben Geld. Nach zwei Colabier kam auf dem Heimweg auch einiges retour.
In der kleinen Pause spielte Martina Gemmar das Lied von der „Kä-Ruh-Oma“, die sich vor Jahren in Frankenthal mit einem Handbohrer an den Autoreifen des Supermarktparkplatzes zu schaffen gemacht hat. Gefolgt von dem Stück „Alles guut“ über die Selbstgerechtigkeit der pfälzischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Berthold Kracke aus Grendelbruch in Frankreich (Bas Rhin) las lebhaft und mit kräftiger Stimme seine Erzählung „Taxi“ vor. Ein Mann, Bruno, fährt mit dem Taxi nach langer Zeit des Klinikaufenthaltes in Karlsruhe nach Hause in die Südpfalz. Er fühlt sich gestärkt und freut sich auf seine Heimkehr. Der Taxifahrer, der aus Syrien stammt, spricht nicht viel, weiß jedoch einiges über Bruno. Als sie vor seinem Haus ankommen, findet sich dort nur noch eine Trümmerlandschaft. Der Taxifahrer klärt ihn auf, dass Bruno lange Zeit ohne Überlebensaussicht im Koma gelegen war und dass das Haus verkauft wurde.
Carolin Bischoff, die Tochter von Margit Wippel, las stellvertretend routiniert und mit Verve die kurze Geschichte „Pesch g‘habbd“ über das Schwein Wutzel, das gern auf große Reise mit dem kleinen, dicken Fahrer gehen würde, von der noch nie ein Schwein zurückgekehrt ist. Es malt sich die Reiseziele und Abenteuer der Reise aus und überlegt sich, wie es mit Kunststücken die Aufmerksamkeit des Fahrers auf sich lenken könnte. Dabei überrennt es den kleinen, dicken Mann, der daraufhin umfällt, von Sanitätern in die Klinik gefahren wird und Wutzel leider nicht mitnehmen kann. Margit Wippel wohnt in Neustadt.
„Gerda“ heißt die Erzählung von Stefan Klopp aus Bliesransbach, und sie ist die Puppe des kleinen Mädchens, das 1939 evakuiert wurde und nicht fehlen durfte. Beim Hineindrängen in die überfüllten Waggons in Saarbrücken wurde der Arm, den das Mädchen in der Hand hielt, der Puppe vom übrigen Körper getrennt, die Puppe ohne Arm blieb draußen. Nach einem Jahr im Hessischen kehrt die Familie zurück, im Dorf waren die Häuser geplündert und das Vieh verschwunden. Den Puppenarm hat die Frau bis ins hohe Alter behalten.
Während weiterer musikalischer Darbietungen von Martina Gemmar wurden die Stimmzettel des Publikums abgegeben.
Es folgten die Werkstattlesungen. Drei von vier Teilnehmenden trugen ihre entstandenen und diskutierten Texte vor: Thomas Maul aus dem Odenwald hat eine gereimte Moritat vom „Auerbacher Rott“ geschrieben, einem Wein, den ein Fuhrmann dem Grafen von Erbach in Auerbach bringen soll, ihn aber vorher schon reichlich genießt.
Manfred Dechert aus Ludwigshafen hat ein Gedicht über die Beziehung von Blähungen und Politik verfasst. Ein Poem über heiße Luft, den Druck und die Not.
Renate Demuth aus Kaiserslautern las ihr Gedicht „Verwitscht“ über zwei Raser, deren Autofahrt durch die abendliche Stadt tragisch endet.
Zur Preisverleihung wurden die einzelnen Mundartdichter nach vorne gebeten, von den hinteren Plätzen angefangen, um ihre Präsente entgegenzunehmen. Jeder erhielt eine Flasche Wein. Der dritte Preis ging an Rudy Kupferschmitt mit seiner Erzählung „Es werd duschber“. Den zweiten Preis erhielt die Tochter von Margit Wippel mit deren Text „Pesch g‘habbd“. Der erste Preis ging an Cornelius Molitor, der die „Dorfdisco am Dunnerschberg“ zum Leben erweckt hatte.
Michael Werner und Ute Zimmermann vom Förderkreis Mundart Bockenheim e.V. verkündeten nach dem äußerst unterhaltsamen Lese-Ereignis dem Publikum die Neuigkeit, dass sie aufgrund der abnehmenden Pfälzer Mundart und zur Förderung des Dialekts in Zeiten, da sich die Kommunen zunehmend aus der Finanzierung mundartlicher Kulturveranstaltungen zurückzögen, eine Bürgerstiftung gegründet haben. Die Stiftung ist Teil der Stiftergemeinschaft der Sparkasse Vorderpfalz. Der Kapitalstock beträgt 25.000 Euro. Gefördert sollen Projekte rund um die Pfälzer Mundart. Bis zum 31. August jedes Jahres können Projektskizzen eingereicht werden. Zur Imagepflege gehört auch das langfristige Ziel, die hiesige Mundart in das bundesweite Verzeichnis zur internationalen UNESCO-Liste „Immaterielles Kulturerbe“ aufnehmen zu lassen.
Die Kontoverbindung für Geldspenden in jeder Höhe ist die „Stiftergemeinschaft der Sparkasse Vorderpfalz“, IBAN: DE85 5455 0010 0191 4629 93. Erforderlicher Verwendungszweck: „Pfälzische Mundart-Stiftung“.