Am 2. Mai in der 41. Ausgabe der Literaturvilla Herrenhof war der junge Heidelberger Autor Dennis Mizioch zu Gast, für die stimmungsvolle Atmosphäre sorgte die Kontrabassistin Henriette Thorun. Beide beschäftigten sich mit dem Thema „es beginnt mit den Geräuschen nachts“.
Miziochs Oeuvre handelt oft von Trennungsebenen, sowohl zwischen Lyrik und Kurzprosa, als auch zwischen analogen und digitalen Themen. 2021 hat er den dritten Preis des Gustav-Adolf-Bähr-Förderpreises für Junge Literatur gewonnen, 2022 den Preis der Heidelberger Autor*innen (Prosa).
Seine besondere Art des Schreibens, so die Moderatorin Katharina Dück, beschäftigt sich mit dem Ausloten bestimmter Handlungen, mit Einflüssen und Rückführungen, mit einer genau definierten Trennschärfe.
Zu Anfang ein Prosastück, worin er sich Gedanken um den Kapitalismus und damit komplementär verbundene Intimität am Beispiel von Monopoly macht. Die Freundin würfelt, verweigert sich aber dem System, kauft nicht, deckt sich nicht mit Straßen und Hotels ein wie ihr Mitspieler. Was nützt ihm am Ende sein ganzer Reichtum, wenn er sie gefühlsmäßig nicht erreicht? Mizioch balanciert literarisch geschickt zwischen Objektivität und Subjektivität.
In einer weiteren Geschichte findet ein Jakobsweg-Wanderer einen Wels am Rheinufer liegen und prüft, ob er dessen Haut mit einem Stock durchbohren kann, was er synchron mit dem Drücken seines Stiftes auf dem Papier assoziiert. Die Albino-Farbe des Wels erinnert entfernt an Moby Dick, Symbol für Reinheit und unschuldige Kraft der Natur. Dagegen gibt es Blähungen des Vergehens, Bilder des Todes, auch von nahestehenden Menschen. Im starken Kontrast dazu die humorvollen badischen Dialektschnipsel zweier alter Männer, welche die Situation kommentieren.
Sehr schön skizziert die lebhaften, facettenreichen, auch zuweilen schemenhaften Verbindungen mehrerer Generationen, seiner polnische Wurzeln, die Großmutter taucht aus dem Dunkel der Vergangenheit auf; mit viel Symbolcharakter dient als Verbindungselement eine hochwertige, gut gepflegte Holztür, zwischen Scheune und Haus – gekonnt dazu das Quietschen, Schaben und Knarren der Musikerin, die intelligent Kontrapunkte zu setzen vermag. Sie gilt als erfolgreiche Newcomerinnen der deutschen Jazz-Szene.
In einem Gedichtzyklus aus dem Jahr 2022 kann der Protagonist nachts nicht schlafen, der Großvater ist gestorben, es ist heiß, dazu kräht ein Hahn in seltsamen Tönen. Was ist, wenn der Hahn dreimal kräht? Die verschiedensten Resonanzen durchwirken seine Phantasien, die Diele knarzt, Staub wird vom Acker aufgewirbelt – mit dem James-Webb-Teleskop sucht er einzelne Staubkörnchen, adäquat zu Sternen im All. Dort – wo bist Du, Opa?
An einer Textstelle kam der Autor auf ein fernes Donnern zu sprechen, da hörte man wie von der Regie bestellt von draußen ein dumpfes Grollen. Aktuell zog ein Unwetter herauf.
Katharina Dück lobte Mizioch und Thuron für ihr produktives Ineinanderwirken. Sie hatten sich gerade erst kennengelernt und keine Zeit für Proben gehabt.
Insgesamt eine gelungene Lesung mit einfühlsamer, vom Charakter symbiotischer Musik, leider vor viel zu kleinem Publikum. Ein Live-Mitschnitt wie noch letztes Jahr auf dem hauseigenen YouTube-Kanal fand bedauerlicherweise nicht statt.
Aktuell startete die Ausschreibung für den Gustav-Adolf-Bähr-Preis für junge Literatur 2024.
Werke:
- Wasserkopf, Erzählung. Sisyphus 2021, ISBN 978–3903125568
- wirklich schöne gedichte, aber. Epubli 2019, ISBN 978–3748579175
Artikel aus dem Wochenblatt Neustadt vom 12.5.24 | PH