Pfalzbibliothek Kaiserslautern. Ein Knistern, kräftiges Fluchen auf pälzisch ist zu hören, Licht in allen Farben flackert vom Nachbarraum auf. Jutta Lingohr legte dort eine Bruchlandung mit ihrem Hexenbesen hin. Claudia Germann, gewandet mit Spitzhut wie McGonagall von Harry Potter hält das Zauberbuch bereit und versichert der Eintretenden in Begleitung der Fledermaus Isolde von Grauwald, es werde sich schon ein Zauber finden, um den Besen zu heilen.
Rund 40 Gäste, teils kostümiert, fanden sich zu der szenischen Lesung über Sagen und Legenden der Pfalz ein, dazu passend eine Karte aus der bayerischen Zeit im 19. Jahrhundert an einer Tafel.
Die gelernte Bibliothekarin und Gästeführerin Jutta Lingohr fesselte mit ihrem Vortrag die Gäste, jung und alt, wobei sie um das Seelenheil der jüngsten fürchtete, denn in den Sagen wird oftmals gestorben und gelitten – unter schauderhaften Zuständen – auch greifen zuweilen dämonische Gestalten und der Teufel höchstpersönlich in das Schicksal der Menschen ein. Denn früher galt, wer nicht an Gott und Teufel glaubt, dem widerfährt übles.
Germann erläuterte die keltisch-irischen Wurzeln von Halloween. Die damaligen Menschen brachten der Natur und den Dämonen Opfergaben bei, verkleideten sich, um sie zu vertreiben. Was sich heute noch mit Süßen & Sauren und einem zunehmend professionellen Outfit zeigt. Im März war Dr. Michael Werner in der Bibliothek zu Gast, der sich u.a. mit Elwetritsche und dem erhaltenen Brauchtum im teils deutschsprachigen Pennsylvania befasst, manches führt er bis auf die Jungsteinzeit zurück. Man weiß aber auch um die wachsende weltweite Kommerzialisierung des Kults, was kritisch zu bewerten ist.
Lingohr spannte eloquent und mit treffender Gebärdensprache einen Bogen zum Mittelalter wie Barbarossa, der jährlich für einen Tag samt seiner Burg aufersteht und im Leichenzug durch die Straßen von Kaiserslautern zieht, ab und zu können Sonntagskinder einen Blick erhaschen. Auch werden Gräueltaten während des Dreißigjährigen Krieges lebendig, siehe den Kroatensturm 1635.
Schöner wirkt die Sage um das Erzhütter Mädchen, welches eines Tages zum Vogelwoog geht, um Futter zu ernten. Sie findet ein goldenes Krönchen in ihrem niedergelegten roten Tuch, nimmt es mit, doch es gehört einer dort badenden Schlangenkönigin, welche sie dann verfolgt. Doch scheitert die Königin an ihrer Haustür und birst dort vor Zorn zu Tode. Das Krönchen aber brachte dem Mädchen lebenslang Glück.
Im Lautertal nahe Wolfstein steht seit dem Mittelalter die Zweikirche, ganz allein, die Menschen und Dörfer drumherum verschwanden, auch finden sich noch Spuren der Römer wie vermutlich ein Quellheiligtum. Es schlägt 12 Uhr nachts. Ein Wanderer nähert sich der Kirche, doch da springt ihm ein kleines verkrüppeltes Männlein auf den Rücken und droht ihn zu ersticken. Dieser läuft panisch von der Kirche weg, da lässt der Quälgeist von ihm ab.
Gegen Ende stellte sie die Gäste aus Zeitknappheit vor die Wahl, etwas über die Liebe oder den wilden Reiter zu hören, wobei sich eine große Mehrheit für den letztgenannten fand. Da handelt es sich um eine vorchristliche wilde Jagd über den Himmel, wobei man aufpassen muß, nicht Teil der unglückselig Frühverstorbenen zu werden. Der Volkskundler Helmut Seebach beschäftigte sich mit solche Sagen und damit verbundenen Brauchtum.
Lingohr lauschte als Kind den Sagen und Märchen ihrer Urgroßmutter, das war eine Quelle ihrer Passion. Früher erzählten sich die Frauen beim gemeinsamen Spinnen ihre Geschichten aus alten Tagen und auch Neuigkeiten. Nicht ohne Grund erhielt das Spinnrädl so seinen Namen. Lingohr verwies auf Johann Peter Hebel mit seinem bedeutenden Werk „Der Rheinländische Hausfreund”. Erwähnenswert ist zudem das Buch „Geistergeflüster” der Autorin Monika Böss, welches rund um den Donnersberg handelt.
Mancherlei Rummel um solcherlei magische Wesen kann man aber auch skeptisch betrachten. So war ich in meinem Urlaub in Villefranche-de-Conflent in den Pyrenäen mit einem überbordenden Hexenkult. Lebensgroße Hexenfiguren standen überall herum und Souvenirs konnten Touristen natürlich erwerben. Ein Schild warb damit, dass es gut aussieht, wenn man die Hexen draußen aufhängt. Was man locker und fröhlich sehen kann in dem einen Sinne, aber auch ernst hinsichtlich der grausamen Verfolgung ganz normaler Frauen in dunklen Zeiten.
Die Gäste schienen offenbar zufrieden und genossen einen speziellen Halloween-Trunk, während sich Jutta Lingohr schon mal den reparierten Besen griff, um nach Kindsbach zu fliegen.