Die renommierte Dichterin Renate Demuth feierte Mitte Oktober ihren 80. Geburtstag. Sie war vor allem in der Mundart bei einer Vielzahl von Wettbewerben erfolgreich und ist weiterhin sehr präsent. Zuletzt hatte Renate Demuth Auftritte in Bad Dürkheim bei der Pälzer Poesie, im Poetenfest in Schifferstadt und beim Bockenheimer Mundartdichterwettstreit. Dort war sie Mitbewerberin um den Sonderpreis gegen den Rechtsruck mit der Bezeichnung “bloss net nochemol – #niewiederistjetzt”, welchen schließlich Cornelius Molitor aus Kaiserslautern gewann.
Ihre Wurzeln liegen, nicht nur sprachlich, in der saar-pfälzischen Grenzregion. Neben Gisela Gall und Helga Schneider gehört die feinsinnige, kritische Beobachterin des Alltäglichen sowie des Zwischenmenschlichen zu den Grandes Dames der Pfalz – Schreiben ist sozusagen ihr Grundnahrungsmittel mit starker humanistischer Zutat.
Sechs Fragen an die Autorin
Du bist nahe Homburg aufgewachsen und dichtest nach wie vor im Dialekt des Grenzbereichs zwischen Saar und Pfalz. Das Bewahren des Rheinfränkischen ist Dir eine Herzensangelegenheit, wie man gelegentlich hört. Was sagst Du dazu?
In der frühen Nachkriegszeit aufgewachsen in einer abgelegenen Vorortstraße dörflichen Charakters in Homburg (Saar), lernte ich mit der Einschulung meine erste Fremdsprache, nämlich Hochdeutsch. Ungefähr zu dieser Zeit war ich ein paar Tage zu Besuch bei einer Tante in Hamburg. Nachbarskinder weigerten sich, mit mir zu spielen mit der Begründung, ich spräche kein richtiges Deutsch. Fortan empfand ich meinen Dialekt als unangenehmen Ballast, für den ich mich schämte und den ich so bald wie möglich loswerden wollte. Auch meine Kinder sollten nicht mit solch einem Makel aufwachsen. Als junge Familie wohnten wir fünf Jahre in Portugal, wo Dialekt sowieso keinen Platz hatte. Bei unserer Rückkehr stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass in unserer Wohngegend im Neubaugebiet von Kaiserslautern-Hohenecken sowohl Erwachsene als auch Kinder ausnahmslos Hochdeutsch sprachen. In den neunziger Jahren wurde ich aufmerksam auf einige in der Tageszeitung abgedruckte Gedichte, die bei Mundartwettbewerben ausgezeichnet worden waren. Mundartautoren wie Günter Speyer und Helga Schneider weckten mein Interesse. Für das Dichten in Mundart begeisterte mich endgültig die Pfalzpreisträgerin Susanne Faschon mit ihrem Buch „Mei Gedicht is mei Wohret”, in dem sie zum selben Thema Mundartverse Versen in Hochdeutsch gegenüber stellte, wobei deutlich wurde: Der Dialekt bietet zweifellos eine wesentlich breitere Skala der Ausdrucksmöglichkeiten, sodass Menschen in ihrer Gefühlswelt unmittelbar berührt werden.
Seit dieser Erkenntnis ist mir das Bewahren von Dialekten (und dazu zähle ich nicht nur das Rheinfränkische) eine Herzensangelegenheit. Dass unser Dialekt von der Unesco auf die Liste der bedrohten Sprachen gesetzt wurde, bestärkt mich in meiner Einstellung.
Bemerkenswert ist deine Malkunst mit gehobenen Niveau, auch illustrierst Du Texte. Es existiert parallel der starke Bezug zur Musik – gewissermaßen ein Dreiklang. Begabungen, die dir angeboren sind? Oder gründen sich Deine Werke vielmehr auf Fleiß, Empathie und tiefgründigem Hineindenken?
In den letzten Jahren habe ich mit großen Vergnügen Bücher für meine drei kleinen Enkel geschrieben und illustriert. Auch meinen Texten, die regelmäßig in Jahrbüchern veröffentlicht werden, füge ich zum Teil Illustrationen bei. Das Schreiben und das Malen beruhen wohl auf angeborenen Talenten, denn seit meiner Kindheit sind es vor allem diese Beschäftigungen, die meiner Seele gut tun.
Auch Musik spielt eine bedeutende Rolle in meinem Leben, seit ich mit ca. 13 Jahren eine der Passionen von Johann Sebastian Bach im Radio hörte – geradezu ein Schlüsselerlebnis für mich. Ich liebe klassische Musik, aber auch Jazz, französische und italienische Chansons sowie portugiesischen Fado. Für neue Entdeckungen bin ich jederzeit offen. Ich selbst spiele kein Instrument, aber ich genieße sehr das Privileg, mit einem Vollblutmusiker verheiratet zu sein.
Du greifst ernste Themen wie Rassismus/Migration auf, bist also zeitkritisch. Der Humor ist dir aber nicht abhanden gekommen. Siehst Du eine Entwicklung bei deinem Schreiben?
Es geschieht immer wieder, dass mich Themen urplötzlich so stark beschäftigen, dass sie mich regelrecht zum Schreiben drängen. Migration und Rassismus und die damit verbundenen ungelösten Probleme können empathische Menschen nicht kalt lassen.
Im Grunde meines Wesens neige ich eher zur Ernsthaftigkeit, aber auch an feinem Humor kann ich mich freuen.
Von Ernst Bloch stammt das Zitat: „Man achte gerade auf kleine Dinge, gehe ihnen nach. Was leicht und seltsam ist, führt oft am weitesten.“ Ist das Teil Deiner Lebensphilosophie?
Ich kannte dieses Zitat von Ernst Bloch nicht, aber es passt durchaus zu meiner Lebensphilosophie.
Du warst bei vielen Mundartwettbewerben erfolgreich. Was war Deine schönste Erinnerung?
Seitdem ich 2002 zum ersten Mal erfolgreich bei einem Mundartwettbewerb teilgenommen habe, stehe ich jedes Jahr irgendwo auf der Bühne.
Von meinen vielen Wettbewerbserfolgen (Bockenheim, Gonbach, Dannstadter Höhe, Sickinger Höhe, Saarländischer Mundartwettbewerb) erinnere ich mich besonders gerne an den Sickinger Mundartdichterwettstreit im Jahr 2007, als ich in beiden Sparten (Prosa und Lyrik) jeweils den 1. Preis erhielt.
Bisher ist von dir ein Buch mit Kurzprosa und Gedichten veröffentlicht worden, in Hochdeutsch. Wird ein Buch in Mundart folgen?
Mein Buch mit Kurzprosa und Lyrik in hochdeutscher Sprache ist 2018 erschienen. Ein Buch in Mundart wird mit Sicherheit irgendwann folgen, denn ständig fügt sich Gedicht zu Gedicht, und in einem Buch wären die Texte besser aufgehoben als im Ordner. Außerdem gibt es Nachfragen nach jeder meiner Lesungen.
„Gedangge iwwers Brauche” von Renate Demuth
So e fremdlännischi Sippschaft -
hergeloff wer wääß woher!
Nix gelernt wie’s Hand-uffhalle.
Spielen net met demm schwarz Lausert,
Kinner gebts genuuch bei uns!
Denne hätt ma net gebraucht.
Lehrer, Schieler dun emm daure
wää demm Bremsklotz in de Klass.
Nix gerafft, alsfort am Frooe.
Fremde basse net doher.
Kenner will was m’emm se dun hann.
Denne hätt ma net gebraucht.
Arich gäär däät er was schaffe.
Lehrstell hat’s fa ihn net gebb.
Danze meecht er, Freinde finne;
jeder macht vor ihm die Kehr.
Eenich is ma sich wie selde.
Denne hätt ma net gebraucht.
Schneeschmelz jaat die Wassermasse
sintflutardich dorch es Dorf.
’s klejn Marieche vum Borjmääschder
ringeriss met wilder Wucht.
Leit am Kreische, Plärre, Heile.
Wer war wohl de Läwensredder?
Hätt ma denne net gehatt…
Biografische Notiz
Renate Demuth wurde 1944 in Homburg/Saar geboren. Nach der Handelsschule und einer Ausbildung als Sekretärin arbeitete sie als Bibliotheksangestellte an jetztigen RPTU. Von 1979 bis 1984 lebte sie mit ihrer Familie in Portugal, dann zog sie nach Kaiserslautern, wo Renate Demuth bis heute wohnt. Um ihr wachsendes Interesse an Literatur zu festigen, belegte sie Schreibseminare u.a. bei Madeleine Giese. Seit 2002 nimmt sie an Literaturwettbewerben in Hochdeutsch und Mundart teil und gewann dutzende Preise. Über ihren Mann Klaus ist sie mit der Schriftstellerin Susanne Faschon (1925–1995) verwandt. Die Autorin veröffentlichte in Zeitungen, Heimat-Jahrbüchern und Anthologien, ein Buch erschien in Hochdeutsch. Renate Demuth ist Mitglied im Literarischen Verein der Pfalz.
Renate Demuth: So fremd – so nah. Erzählungen und Gedichte. Lutrina Verlag, 2018, ISBN 978–3‑938191–06‑4, 239 Seiten.