Rena­te Demuth im Spinn­rädl Kai­sers­lau­tern, Poe­ten­fest 2021

Die renom­mier­te Dich­te­rin Rena­te Demuth fei­er­te Mit­te Okto­ber ihren 80. Geburts­tag. Sie war vor allem in der Mund­art bei einer Viel­zahl von Wett­be­wer­ben erfolg­reich und ist wei­ter­hin sehr prä­sent. Zuletzt hat­te Rena­te Demuth Auf­trit­te in Bad Dürk­heim bei der Päl­zer Poe­sie, im Poe­ten­fest in Schif­fer­stadt und beim Bocken­hei­mer Mund­art­dich­ter­wett­streit. Dort war sie Mit­be­wer­be­rin um den Son­der­preis gegen den Rechts­ruck mit der Bezeich­nung “bloss net nochemol – #nie­wie­derist­jetzt”, wel­chen schließ­lich Cor­ne­li­us Molitor aus Kai­sers­lau­tern gewann.
Ihre Wur­zeln lie­gen, nicht nur sprach­lich, in der saar-pfäl­zi­schen Grenz­re­gi­on. Neben Gise­la Gall und Hel­ga Schnei­der gehört die fein­sin­ni­ge, kri­ti­sche Beob­ach­te­rin des All­täg­li­chen sowie des Zwi­schen­mensch­li­chen zu den Gran­des Dames der Pfalz – Schrei­ben ist sozu­sa­gen ihr Grund­nah­rungs­mit­tel mit star­ker huma­nis­ti­scher Zutat.


Sechs Fragen an die Autorin


Du bist nahe Hom­burg auf­ge­wach­sen und dich­test nach wie vor im Dia­lekt des Grenz­be­reichs zwi­schen Saar und Pfalz. Das Bewah­ren des Rhein­frän­ki­schen ist Dir eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit, wie man gele­gent­lich hört. Was sagst Du dazu?

In der frü­hen Nach­kriegs­zeit auf­ge­wach­sen in einer abge­le­ge­nen Vor­ortstra­ße dörf­li­chen Cha­rak­ters in Hom­burg (Saar), lern­te ich mit der Ein­schu­lung mei­ne ers­te Fremd­spra­che, näm­lich Hoch­deutsch. Unge­fähr zu die­ser Zeit war ich ein paar Tage zu Besuch bei einer Tan­te in Ham­burg. Nach­bars­kin­der wei­ger­ten sich, mit mir zu spie­len mit der Begrün­dung, ich sprä­che kein rich­ti­ges Deutsch. Fort­an emp­fand ich mei­nen Dia­lekt als unan­ge­neh­men Bal­last, für den ich mich schäm­te und den ich so bald wie mög­lich los­wer­den woll­te. Auch mei­ne Kin­der soll­ten nicht mit solch einem Makel auf­wach­sen. Als jun­ge Fami­lie wohn­ten wir fünf Jah­re in Por­tu­gal, wo Dia­lekt sowie­so kei­nen Platz hat­te. Bei unse­rer Rück­kehr stell­te ich zu mei­ner Über­ra­schung fest, dass in unse­rer Wohn­ge­gend im Neu­bau­ge­biet von Kai­sers­lau­tern-Hohenecken sowohl Erwach­se­ne als auch Kin­der aus­nahms­los Hoch­deutsch spra­chen. In den neun­zi­ger Jah­ren wur­de ich auf­merk­sam auf eini­ge in der Tages­zei­tung abge­druck­te Gedich­te, die bei Mund­art­wett­be­wer­ben aus­ge­zeich­net wor­den waren. Mund­art­au­to­ren wie Gün­ter Spey­er und Hel­ga Schnei­der weck­ten mein Inter­es­se. Für das Dich­ten in Mund­art begeis­ter­te mich end­gül­tig die Pfalz­preis­trä­ge­rin Susan­ne Faschon mit ihrem Buch „Mei Gedicht is mei Woh­ret”, in dem sie zum sel­ben The­ma Mund­art­ver­se Ver­sen in Hoch­deutsch gegen­über stell­te, wobei deut­lich wur­de: Der Dia­lekt bie­tet zwei­fel­los eine wesent­lich brei­te­re Ska­la der Aus­drucks­mög­lich­kei­ten, sodass Men­schen in ihrer Gefühls­welt unmit­tel­bar berührt wer­den.
Seit die­ser Erkennt­nis ist mir das Bewah­ren von Dia­lek­ten (und dazu zäh­le ich nicht nur das Rhein­frän­ki­sche) eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit. Dass unser Dia­lekt von der Unesco auf die Lis­te der bedroh­ten Spra­chen gesetzt wur­de, bestärkt mich in mei­ner Ein­stel­lung.


Bemer­kens­wert ist dei­ne Mal­kunst mit geho­be­nen Niveau, auch illus­trierst Du Tex­te. Es exis­tiert par­al­lel der star­ke Bezug zur Musik – gewis­ser­ma­ßen ein Drei­klang. Bega­bun­gen, die dir ange­bo­ren sind? Oder grün­den sich Dei­ne Wer­ke viel­mehr auf Fleiß, Empa­thie und tief­grün­di­gem Hin­ein­den­ken?


In den letz­ten Jah­ren habe ich mit gro­ßen Ver­gnü­gen Bücher für mei­ne drei klei­nen Enkel geschrie­ben und illus­triert. Auch mei­nen Tex­ten, die regel­mä­ßig in Jahr­bü­chern ver­öf­fent­licht wer­den, füge ich zum Teil Illus­tra­tio­nen bei. Das Schrei­ben und das Malen beru­hen wohl auf ange­bo­re­nen Talen­ten, denn seit mei­ner Kind­heit sind es vor allem die­se Beschäf­ti­gun­gen, die mei­ner See­le gut tun.
Auch Musik spielt eine bedeu­ten­de Rol­le in mei­nem Leben, seit ich mit ca. 13 Jah­ren eine der Pas­sio­nen von Johann Sebas­ti­an Bach im Radio hör­te – gera­de­zu ein Schlüs­sel­er­leb­nis für mich. Ich lie­be klas­si­sche Musik, aber auch Jazz, fran­zö­si­sche und ita­lie­ni­sche Chan­sons sowie por­tu­gie­si­schen Fado. Für neue Ent­de­ckun­gen bin ich jeder­zeit offen. Ich selbst spie­le kein Instru­ment, aber ich genie­ße sehr das Pri­vi­leg, mit einem Voll­blut­mu­si­ker ver­hei­ra­tet zu sein.


Du greifst erns­te The­men wie Rassismus/Migration auf, bist also zeit­kri­tisch. Der Humor ist dir aber nicht abhan­den gekom­men. Siehst Du eine Ent­wick­lung bei dei­nem Schrei­ben?


Es geschieht immer wie­der, dass mich The­men urplötz­lich so stark beschäf­ti­gen, dass sie mich regel­recht zum Schrei­ben drän­gen. Migra­ti­on und Ras­sis­mus und die damit ver­bun­de­nen unge­lös­ten Pro­ble­me kön­nen empa­thi­sche Men­schen nicht kalt las­sen.
Im Grun­de mei­nes Wesens nei­ge ich eher zur Ernst­haf­tig­keit, aber auch an fei­nem Humor kann ich mich freu­en.


Von Ernst Bloch stammt das Zitat: „Man ach­te gera­de auf klei­ne Din­ge, gehe ihnen nach. Was leicht und selt­sam ist, führt oft am wei­tes­ten.“ Ist das Teil Dei­ner Lebens­phi­lo­so­phie?


Ich kann­te die­ses Zitat von Ernst Bloch nicht, aber es passt durch­aus zu mei­ner Lebens­phi­lo­so­phie.


Du warst bei vie­len Mund­art­wett­be­wer­ben erfolg­reich. Was war Dei­ne schöns­te Erin­ne­rung?


Seit­dem ich 2002 zum ers­ten Mal erfolg­reich bei einem Mund­art­wett­be­werb teil­ge­nom­men habe, ste­he ich jedes Jahr irgend­wo auf der Büh­ne.
Von mei­nen vie­len Wett­be­werbs­er­fol­gen (Bocken­heim, Gon­bach, Dann­stad­ter Höhe, Sickin­ger Höhe, Saar­län­di­scher Mund­art­wett­be­werb) erin­ne­re ich mich beson­ders ger­ne an den Sickin­ger Mund­art­dich­ter­wett­streit im Jahr 2007, als ich in bei­den Spar­ten (Pro­sa und Lyrik) jeweils den 1. Preis erhielt.


Bis­her ist von dir ein Buch mit Kurz­pro­sa und Gedich­ten ver­öf­fent­licht wor­den, in Hoch­deutsch. Wird ein Buch in Mund­art fol­gen?


Mein Buch mit Kurz­pro­sa und Lyrik in hoch­deut­scher Spra­che ist 2018 erschie­nen. Ein Buch in Mund­art wird mit Sicher­heit irgend­wann fol­gen, denn stän­dig fügt sich Gedicht zu Gedicht, und in einem Buch wären die Tex­te bes­ser auf­ge­ho­ben als im Ord­ner. Außer­dem gibt es Nach­fra­gen nach jeder mei­ner Lesun­gen.


„Gedangge iwwers Brauche” von Renate Demuth


So e fremd­län­ni­schi Sipp­schaft -
her­gel­off wer wääß woher!
Nix gelernt wie’s Hand-uff­hal­le.
Spie­len net met demm schwarz Lau­sert,
Kin­ner gebts genuuch bei uns!
Den­ne hätt ma net gebraucht.

Leh­rer, Schie­ler dun emm dau­re
wää demm Brems­klotz in de Klass.
Nix gerafft, als­fort am Fro­oe.
Frem­de bas­se net doher.
Ken­ner will was m’emm se dun hann.
Den­ne hätt ma net gebraucht.

Arich gäär däät er was schaf­fe.
Lehr­stell hat’s fa ihn net gebb.
Dan­ze meecht er, Freinde fin­ne;
jeder macht vor ihm die Kehr.
Eenich is ma sich wie sel­de.
Den­ne hätt ma net gebraucht.


Schnee­schmelz jaat die Was­ser­mas­se
sint­flu­t­ar­dich dorch es Dorf.
’s kle­jn Marie­che vum Borj­määsch­der
rin­ge­riss met wil­der Wucht.
Leit am Krei­sche, Plär­re, Hei­le.
Wer war wohl de Läwen­sred­der?
Hätt ma den­ne net gehatt…


Biografische Notiz


Rena­te Demuth wur­de 1944 in Homburg/Saar gebo­ren. Nach der Han­dels­schu­le und einer Aus­bil­dung als Sekre­tä­rin arbei­te­te sie als Biblio­theks­an­ge­stell­te an jetz­ti­gen RPTU. Von 1979 bis 1984 leb­te sie mit ihrer Fami­lie in Por­tu­gal, dann zog sie nach Kai­sers­lau­tern, wo Rena­te Demuth bis heu­te wohnt. Um ihr wach­sen­des Inter­es­se an Lite­ra­tur zu fes­ti­gen, beleg­te sie Schreib­se­mi­na­re u.a. bei Made­lei­ne Gie­se. Seit 2002 nimmt sie an Lite­ra­tur­wett­be­wer­ben in Hoch­deutsch und Mund­art teil und gewann dut­zen­de Prei­se. Über ihren Mann Klaus ist sie mit der Schrift­stel­le­rin Susan­ne Faschon (1925–1995) ver­wandt. Die Autorin ver­öf­fent­lich­te in Zei­tun­gen, Hei­mat-Jahr­bü­chern und Antho­lo­gien, ein Buch erschien in Hoch­deutsch. Rena­te Demuth ist Mit­glied im Lite­ra­ri­schen Ver­ein der Pfalz.


Rena­te Demuth: So fremd – so nah. Erzäh­lun­gen und Gedich­te. Lut­ri­na Ver­lag, 2018, ISBN 978–3‑938191–06‑4, 239 Sei­ten.


Quel­le: https://www.wochenblatt-reporter.de/kaiserslautern/c‑lokales/renate-demuth-aus-hohenecken-feiert-runden-geburtstag_a595423#gallery=null