v.l. Anja Ohmer, Ursu­la Kre­chel, Jür­gen Har­deck | Foto: Peter Her­zer


Im fest­li­chen Rah­men erfolg­te die Mar­tha-Saal­feld-Preis-Ver­lei­hung am 1. Dezem­ber 25 im voll­be­set­zen Saal des Alten Kauf­haus in Land­au, idyl­lisch gele­gen am Tho­mas-Nast-Weih­nachts­markt.
Die in Trier gebo­re­ne Ursu­la Kre­chel erhielt den Haupt­preis, dotiert mit 8000 €, Ali­na Weber den För­der­preis in Höhe von 2000 € für den Pro­sa­ge­dicht-Zyklus „Lola”.

Geehrt wur­de die in Land­au gebo­re­ne Mar­tha Saal­feld (1898–1976), ver­hei­ra­tet mit dem eben­falls bekann­ten Gra­phi­ker Wer­ner vom Scheidt. Die Schrift­stel­le­rin litt nach ers­ten Erfol­gen in den 20ern („Beweis für Kle­ber”) schwer unter dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und führ­te trotz ihres hohen lite­ra­ri­schen Talents ein ent­beh­rungs­rei­ches Leben. Wich­ti­ge Wer­ke sind „Der Wald”, „Pan ging vor­über”, „Pfäl­zi­sche Land­schaft” und vor allem die „Juden­gas­se”.


Prof. Anja Ohmer, Lei­te­rin des ZKW, des Zen­trums für Kul­tur- und Wis­sens­dia­log, begrüß­te die zahl­rei­chen Gäs­te der Preis­ver­lei­hung. Sie ver­ant­wor­tet in der RPTU Kai­sers­lau­tern-Land­au den Stu­di­en­gang Dar­stel­len­des Spiel/Theater und die Mar­tha-Saal­feld-For­schungs­stel­le. Die „Ike und Bert­hold Roland-Stif­tung” über­liess ihr ein umfäng­li­ches Kon­vo­lut von Saal­feld. Ziel des Pro­jekts ist die Auf­ar­bei­tung, Bewer­tung und Ver­fü­gung­stel­lung ihrer Wer­ke.
Alex­an­der Schwein­stei­ger aus Herx­heim, Schü­ler eines Hoch­be­gab­ten-För­der­in­ter­nats in Kai­sers­lau­tern, spiel­te auf der Kon­zert­gi­tar­re drei Stü­cke, dar­un­ter das Weih­nachts­lied „Her­bei, o ihr Gläu­bi­gen”.
Ober­bür­ger­meis­ter Domi­nik Geiß­ler begrüß­te die Anwe­sen­den auf salop­pe Wei­se und ehr­te die bei­den Preis­trä­ge­rin­nen und ihr Werk.
Staats­se­kre­tär Prof. Har­deck refe­rier­te in sei­ner Ein­gangs­re­de über Mar­tha Saal­feld, deren Per­sön­lich­keit und Werk man nicht in eine Schub­la­de ste­cken kön­ne. Die Erin­ne­rung an sie sei emi­nent wich­tig. Ursu­la Kre­chel erhielt vor kur­zem den bedeu­ten­den Georg-Büch­ner-Preis. Bei­de Preis­ent­schei­dun­gen sei­en unab­hän­gig von ihrer jewei­li­gen Jury getrof­fen wor­den. Die Schrift­stel­le­rin ist eine der bedeu­tends­ten Stim­men der Lite­ra­tur. Sie hat Mut, Fra­gen zu stel­len, ohne sie beant­wor­ten zu kön­nen. Die Jury bestand u.a. aus der Schrift­stel­le­rin Sarah Beicht, Ange­la Noack von Tha­lia Land­au, Prof. Anja Ohmer und Micha­el Au vom Kul­tur­mi­nis­te­ri­um. Im Vor­feld wähl­ten Student/innen der RPTU aus zahl­rei­chen Ein­rei­chun­gen ihre drei Favo­ri­ten für den Haupt- und den För­der­preis aus.
Micha­el Au hielt die Lau­da­tio für Ali­na Weber, die im Wes­ter­wald auf­ge­wach­sen ist. Zum Stu­di­um ging sie nach Frank­furt und ließ sich in Offen­bach nie­der. Der­zeit hält sie sich in der kroa­ti­schen Stadt Split auf­grund eines Aus­lands­sti­pen­di­ums auf, von dem sie sich kurz­fris­tig frei neh­men konn­te. Der Wes­ter­wald spie­le in ihrer Lite­ra­tur kaum eine Rol­le. Die wis­sen­schaft­li­che Beschäf­ti­gung wäh­rend ihres Stu­di­ums brach­te ihr einen tie­fe­ren Ein­blick ins Leben. Das Buch „Lola”, für das sie geehrt wird, ist ein Gedicht­zy­klus über Femi­zid. Die Klein­fa­mi­lie, Part­ner­schafts­be­zie­hun­gen und die Kom­mu­ni­ka­ti­on, die zwi­schen den Zei­len spür­bar wird, beschäf­ti­gen Ali­na Weber in unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven ein­drück­lich.
Die Autorin las vier Pro­sa­ge­dich­te über Fami­li­en­mit­glie­der, die über Lola spre­chen.

Die Kul­tur­wis­sen­schaft­le­rin Petra Plätt­ner hielt die bewe­gen­de Lau­da­tio für Ursu­la Kre­chel, die im Trier der Nach­kriegs­zeit auf­wuchs. Plätt­ner kennt Kre­chel seit mitt­ler­weil­se drei­ßig Jah­ren. Sie berich­te­te aus deren Leben, in dem das Schrei­ben zum Zufluchts­ort, zum Akt der Befrei­ung wur­de. 1994 hat­te die Schrift­stel­le­rin bereits u.a. den Mar­tha-Saal­feld-För­der­preis erhal­ten. Eine wei­te­re Sta­ti­on war das Stu­di­um an der Uni­ver­si­tät Shang­hai, wo sie unter schwie­ri­gen Platz­ver­hält­nis­sen arbei­te­te und sich des Schick­sals jüdi­scher Emi­gran­ten annahm. Kre­chel sei eine Femi­nis­tin der ers­ten Stun­de, sag­te Plätt­ner. Ihre Prot­ago­nis­tin­nen sei­en stark und weib­lich. Kre­chels Spra­che sei unmit­tel­bar und poe­tisch. Äpfel spie­len in meh­re­ren Wer­ken eine Rol­le, vor allem jedoch im Roman „Land­ge­richt”. Ursu­la Kre­chel ist Mit­glied des PEN Ber­lin. In meh­re­ren Aka­de­mien ist sie Mit­glied bzw. Vize­prä­si­den­tin.
Ursu­la Kre­chel sprach in ihrer Dan­kes­re­de über Mar­tha Saal­feld, Eli­sa­beth Lang­gäs­ser, Anna Seg­hers und Lil Picard, wel­che in Land­au gebo­ren wur­de und spä­ter nach New York aus­wan­der­te, wo sie einen Hut­la­den eröff­ne­te und Teil der kul­tu­rel­len Avent­gar­de war. Sie sprach dar­über, dass Natur und Land­schaft dem Men­schen hel­fen, wenn er die inne­re Emi­gra­ti­on suche. Doch eben die­se Lebens­the­men von Mar­tha Saal­feld sei­en in der Pfalz der Nach­kriegs­zeit nicht von Belang gewe­sen. Das Inter­es­se Saal­felds lag aber vor allem auch in der Stör­an­fäl­lig­keit und Zer­stör­bar­keit der Natur. Kre­chel beleuch­te­te fol­ge­rich­tig den Kli­ma­wan­del, mit Sicher­heit sah Saal­feld den Wald und Gar­ten damals, in der frü­hen Nach­kriegs­zeit mit den städ­ti­schen Trüm­mer­land­schaf­ten, als mythi­sches Wesen, heu­te wohl undenk­bar, so zu schrei­ben.



Der abschlie­ßen­de Teil des Abends bestand aus einer Thea­ter­col­la­ge zu Ursu­la Kre­chels Roman „Sehr geehr­te Frau Minis­te­rin”. Die­ser Roman wird als kraft­voll, poli­tisch und dicht bezeich­net. Sze­nen des Romans wur­den in Gewän­dern und mit Werk­zeu­gen gespielt, die his­to­ri­schen Vor­la­gen der Anti­ke nach­emp­fun­den sind. Agrip­pi­na, Mut­ter von Nero, die er bru­tal ermor­den ließ (!), ver­band die ein­zel­nen Sze­nen mit mehr oder min­der toxi­schen Mut­ter-Sohn-Bezie­hun­gen: Eine Latein­lehr­ein in der Schu­le, eine Kräu­ter- und Tee­ver­käu­fe­rin sowie Ärz­te, die sym­bo­lisch die Gebär­mut­ter ent­fer­nen. Am Schluß die Jus­tiz­mi­nis­te­rin, wel­che offen­bar ein Atten­tat nicht über­lebt.

Das Haupt­the­ma war Femi­zid, Gewalt­aus­übung, Unter­drü­ckung „zu schlau­er Frau­en” durch das Patri­ar­chat auf meh­re­ren his­to­ri­schen wie gesell­schaft­li­chen Ebe­nen, von der Anti­ke wie ein roter Faden bis zur Gegen­wart. Kre­chel setzt in ihren Wer­ken oft­mals Schwer­punk­te wie Mens­trua­ti­on und weib­li­che Geschlechts­or­ga­ne, küm­mert sich um jene, die kei­ne Stim­me haben, die oft­mals Aus­ge­grenz­ten wie Sin­ti und Roma („Geis­ter­fahrt”). Hier sei auch das Buch „Bit­ten der Vögel im Win­ter” von Ute Bales emp­foh­len.

Zum Abschluß wur­de das Gedicht „Oh sieh Ophe­lia” von Mar­tha Saal­feld vor­ge­tra­gen. Sie wid­me­te es Eli­sa­beth Lang­gäs­ser.

Im Foy­er des Alten Kauf­hau­ses in Land­au war eine Hör­aus­stel­lung mit neun Sta­tio­nen aus dem Leben Mar­tha Saal­felds zu bestau­nen, ergänzt von eini­gen ihrer Gedich­te, ins­be­son­de­re Natur-Sonet­te. Die Aus­stel­lung wur­de von Stu­die­ren­den der RPTU Land­au im Rah­men einer Bache­lor­ar­beit erstellt und u.a. durch den För­der­ver­ein der RPTU finan­zi­ell ermög­licht.




Bericht von Bir­git Heid mit Ergän­zun­gen von Peter Her­zer, 7.12.25