
Beim 73. Dichterwettstreit am 18.10.2025 in Bockenheim wurden folgende Auszeichnungen vergeben:
Sonderpreis mit dem Motto „Casanova und seine Nachfolger”: Cornelius Molitor mit „De Casanova im Alder”
Publikumspreis: Maritta Reinhardt
Dr. Wilhelm-Dautermann-Preis: Hermann J. Settelmeyer
Preis fe Neie: Uwe Jung mit „E pericolosa sporgersi”
1. Preis: Matthias Zech mit „Hasselniss vum Vadder”
2. Preis: Manfred Dechert mit „Mer redde nix”
3. Preis: Silvia Kästner mit „Äfach mol liche bleiwe”
Preise 4 bis 10:
Maritta Reinhardt mit „Realität„
Max Stapf mit ” Drowwe im Herbscht„
Ina Schmidt mit „Middel-Alder„
Günter Groß mit „Die Luft leit an deine Hoor„
Karl-Martin Frech mit „Da Dischder unn sein Fraa„
Renate Demuth mit „´s Enn vum Lied„
Stefan Klopp mit „Alles geholl…(Gaza, Charkiw…odder sunschwo uff der dó Welt”
Am Anfang wurde dem in Mai verstorbenen Mundartdichter Wilfried Berger gedacht und ein „Abschiedsgedicht” vorgetragen. Den musikalischen Rahmen boten „The Shooflies” aus Pennsylvania bei ca. 150 Gästen, die Moderation hatte Dr. Michael Werner. Schirmherr war der Vorsitzende des Bezirkstags Pfalz Hans-Ulrich Ihlenfeld. Besonders gelobt wurden die 29 Einreichungen von Autorinnen und Autoren, die zum ersten Mal dabei sind. Ein Generationswechsel zeichnet sich ab.
Matthias Zech aus Speyer schildert in seinem Siegergedicht „Hasselniss vom Vadder” den 91-jährigen Vater am Lebensabend. Seine Lebendigkeit und Schaffenskraft wird im Rückblick gewürdigt: / un alle Leit hot er gholfe / draagelangt un hiegelangt / uff alle Hochziche gedanzt / gelacht un verzehlt / un verzehlt un gelacht /.
Nun haben seine Sinne stark nachgelassen, aber „stunnelang dut er draus uff de Terrass Niss uffmache” und gibt dem Sohn eine Schale davon. Dieser tut sich eine Haselnuss täglich in sein Müsli, denn „do drinn is alles / do drin do is / sei ganze Lieb / sei ganze Leewe”. Ein beeindruckend empathischer Text.
Manfred Dechert aus Ludwigshafen beschäftigt sich in seiner Dystopie „Mer redde nix” mit einer ungewollt sprachlichen Verarmung bis hin zur Stille, symbolisch ausgedrückt mit einem Stuhlkreis: „mer sinn bloß noch Stihl / Mer rede nix / Hocke im Kreis / Hocke zu Sechst / Hocke zu Zwett / Mer han kää Wörter mi/. Das Wetter is zwar schää, aber der Protagonist verspürt die Reduzierung seines Lebensgefühls: „Kää Wort mi als netich / Mei Ärm so kalt wie Holz /. Im Kreis dürfe se zwar noch lache, aber offenbar übenimmt das Reden die KI: „De Computer macht des schun”.
Renate Demuth aus Kaiserslautern-Hohenecken pflegt ihre Homburger Mundartwurzeln aus dem Grenzbereich zwischen Saarland und Pfalz. In „’s Enn vum Lied” fühlt sich die Erzählerin besonders wohl in „die Summerhitz / Im alde Gaadestuhl”. Im Blütenmeer lauscht sie dem kunstvoll modulierten Gesang einer Amsel. Doch in einem schrecklichen Moment verstummt die Amsel, ihr trobbse Träne. Die Idylle, ihr Summerglück endet jäh: „Nie widder singt fa mich / mei Amsel. / Om mich die lohlich Luft, / in mer e starri Kält./” Mit geschlossenen Augen stellt sie sich die Amsel wiescht verobbt am Boden liegend vor.
Ina Schmitt brachte aus Enkenbach-Alsenborn das Gedicht „Middel-Alder” vorbei. Die Erzählerin schreckt morgens vumm Schloof uff, denn der Zeitungsausträger benötigt hörbar schon einen Rollator. Selbstironisch betrachtet sie sich im Spiegel: „Norre Zwanzisch Johr hinnedro.” Der Zeitungsausträger hat es zum Briefkasten geschafft, aber nicht mehr durch den Gaade zurück, er muß auf einem Stuhl ausschnaufen. Per Handy wird ihr mitgeteil, das ein entfernter Freund mit 37 durch einen Unfall umgekommen ist. „Wann derf merr geh – und wann muss mer?” Doch die melancholischen Gedanken werden schnell verscheucht: „Am Samschda kummt mei Dochter. / Isch frää misch!”.
