Das Pfalzklinikum beteiligte sich am 17. Juni zum ersten Mal an „Lautern liest“ und lud dazu die beiden renommierten Mundartdichter Renate Demuth und Manfred Dechert ein. Die Veranstaltung wurde wegen des potenziell höheren Interesses in den Multifunktionsraum mit seinem stimmungsaufhellenden Dekor verlegt. Der Pflegedienstleiter Sascha Biebel beklagte zu Anfang, dass seit Jahren kein Pächter für das Kultur-Café gefunden werden konnte und bedankte sich herzlich bei den anwesenden Ehrenamtlichen. Sichtlich freute er sich über den aktuellen kulturellen Beitrag seitens des Klinikums.
Die in Kaiserslautern-Hohenecken wohnhafte Renate Demuth stellte vier lustige Geschichten vor. Ihre Mundartvarietät stammt aus der Gegend von Homburg/Saar, wo sie aufgewachsen ist; dort handeln auch die Geschichten aus ihrer Kindheit – authentisch und gut verständlich – wie sie glaubhaft versicherte.
Im „Lyonerfescht” wird nach entbehrungsreichen Zeiten am Tisch im Familienkreis so richtig gefuttert, das Kind beäugt mit großer Skepsis den dicken Bauch einer noch jungen Frau, deren Nähte am Kleid grenzwertig strapaziert werden. Doch es stellt sich heraus: Nach vier Wochen folgt die Geburt!
Bei den „Sternekochbosse” üben sich Kinder in den ersten kulinarischen Experimenten. Da versuchen sie am Weiher fündig zu werden. Frösche sind ihnen als Spielkameraden viel zu lieb, dann schon eher Kaulquappen. Doch stellt sich heraus, dass sich kaltes Wasser mit kochendem Öl schlecht verträgt, eine Stichflamme und viel Dampf, schu scheint de Deifel rauszukumme. Die Autorin erinnerte sich, dass in der Nachkriegszeit im bäuerlichen Umfeld mit den Tieren oft gefühllos umgegangen worden sei. Der Nutzen stand im Vordergrund.
Renate Demuths Geschichten mit ihrer typischen Diktion eröffnen auf den zweiten Blick eine Milieustudie, eine Zeit, die heute so nicht mehr existiert. Knapp eine Woche zuvor wurde in der Pfalzbibliothek die Anthologie „Kindheitsträume” des Literarischen Vereins der Pfalz mit entsprechender Thematik vorgestellt.
Manfred Dechert aus Ludwigshafen setzte auf einen Mix von Mundart und Hochdeutsch. Mit Empathie nahm er die Stimmung der Hörer auf, um zum richtigen Zeitpunkt einen Sketch zu platzieren. Einem Seniorenheimbewohner wird das WLAN verweigert, sein alles geliebtes Facebook! Da eskaliert die Lage. Er nimmt eine Pflegekraft in Geiselhaft, die Polizei muss anrücken.
Der verhinderte Mime, wie Dechert selbst sagt, setzte gekonnt seine Stimme klanglich und rhythmisch verschieden ein. Punktgenau mit passender Gestik. Das zog die Anwesenden in den Bann.
Neben lustig-satirischen, szenischen Stücken wie dem Familiengedicht, eher ein Familiengericht, wo die Gäste nach kurzer Zeit den eingängigen Refrain auswendig nachsagten, kamen auch tiefernste Themen zur Sprache. Dechert bot ein Kontrastprogramm, welches nicht einfach so abgespult wurde, denn er bezog sich durchaus mit seinen Texten auf die dunkle Vergangenheit der Psychiatrie.
In der Nazi-Zeit wurden von Psychologen und Ärzten „verdächtigen” Menschen z. B. Wörter wie Feld und Hase vorgelegt, die daraus flott ordentliche Sätze zu bilden hatten. Wer da nicht mitkam, lief Gefahr, als „Geistig behindert” abgestempelt zu werden. Dechert erwähnte kurz das KZ Osthofen bei Worms, welches literarisch durch Anna Seghers Siebtes Kreuz bekannt wurde.
Die systemische Beraterin Dorothee Ruster-Hebel von der Koordinierungsstelle Gemeinwesen und Kommunikation schien beeindruckt. Aus ihrer Lebenspraxis wusste sie zu sagen, dass es keinen Trennungsgraben zwischen „Krank” und „Gesund” gibt, jeder ist mal in Phasen das eine wie das andere.
Im gut gefüllten Raum wurde Kaffee und Kuchen angeboten. Insgesamt war die Atmosphäre von fröhlicher Natur.
Manfred Dechert und Renate Demuth sind Mitglieder des Literarischen Vereins der Pfalz und der Autorengruppe Lauter Autor*innen. Sie gewannen zahlreiche Preise bei pfälzischen Mundartwettbewerben.
Quelle: Artikel im Wochenblatt Kaiserslautern vom 21.6.24