Am 14. Nov. wurde in der Pfalzbibliothek Kaiserslautern die neueste Ausgabe des Magazins für Literatur und Kultur PalatinArt. vorgestellt. Sie ist die Nachfolge der vor zwei Jahren eingestellten Chaussee. Ruth Ratter zeigte sich sichtbar erleichtert über den verheißungsvollen Start. Die Sorge um Auflagenstärke und Marketing trägt in der Hauptsache die mit gesundem Optimismus ausgestattete Verlegerin Annette Nünnerich-Asmus. Das Magazin erscheint zweimal jährlich möglichst zeitnah zu den beiden großen Messen in Leipzig und Frankfurt.
Nach der Begrüßung durch die Bibliotheksleiterin Claudia Germann führte Regina Reiser vom Bezirksverband Pfalz sukzessive näher in das Thema Grenzen ein: Sie haben sowohl einen trennenden wie verbindenden Charakter, sind also ambivalent.
Literatur muss auch neue, mediale Wege gehen und übergab das Wort an Bibliothekar Fabian Striehl. Dieser scannte mit Hilfe seines Handy einen QR-Code unterhalb eines Textbeitrags, welcher dann eine Audiodatei zum Mithören auf der Verlagsseite freischaltete. An einem Monitor konnten die Gäste alles live mitverfolgen. So zeigte sich man auf der Höhe der Zeit.
Eva Paula Pick las in analoger Weise aus ihrem Romanmanuskript „Krampenschießen”, worin eine 27-jährige Studentin in flippiger, schräger Schilderung eine Fahrt nach Burgund unternimmt, im weiteren Verlauf werden Tagebucheinträge von 1940 konträr gegenübergestellt – und zwar ihres Großvaters beim Einmarsch der Wehrmacht auf fast derselben Strecke. Pick zeigte sich im positiven Sinne umtriebig und präsentierte wenig später einen selbst produzierten experimentellen Videoclip für die nächste Ausgabe „Idylle, Paradiesgarten”.
Der Buchhändler Morphy Burkhart bereitete sich stundenlang auf ein Interview mit einer Kommissarin vor, doch dieses fiel wegen einer Behörden-Direktive aus. Notgedrungen nahm Burkhart den Brockhaus und Wikipedia zur Hilfe, um das Wort Grenzen zu definieren – das war aber gar nicht so einfach! So gibt es beispielsweise bei der „Haut” oder dem „Zaun” ein innen wie außen, ist aber auch durchlässig oder nicht. Wichtig ist ihm, dass Kultur immer die Eigenschaft besitzt, Grenzen zu überwinden. Das Sperrige galt einst auch für den eisernen Vorhang, die chinesische Mauer, den Limes. Die sind inzwischen Geschichte. Auch ist es bedeutsam, die Schwachen zu schützen, damit sie ihre Lebensart ausüben können.
Die Schauspielerin und Autorin Madeleine Giese nahm die Gäste emotional mit auf eine autobiographisch gefärbte Reise ins Lothringen. Die frankophilen Eltern schleppen in den 60ern mit ihrer Schrottkiste die damals noch kleinen Töchter ins Land ihrer Träume, dort fühlen sie sich pudelwohl und kaufen Antiquariat, da aber das Geld nicht reicht, wird konsequent am Essen sehr zum Leidwesen der teils pubertierenden gespart. In den Jahrzehnten danach folgen noch viele Fahrten der inzwischen Erwachsenen samt Nachkommenschaft unter schrittweiser Öffnung der Grenzen, ja, bis dann Corona zwei sehr lange Jahre für Entsetzen sorgt.
In der abschließenden Diskussionsrunde mit der Verlegerin und den Redaktionsmitgliedern Manuel Theophil, Ruth Ratter und Sarah Angelmahr ging es um die Erläuterung des Gesamtprojekts. In der ersten Ausgabe wurde mit dem gesellschaftlichen Thema „Demokratie” ein Schwerpunkt gesetzt, was besonders bei jungen Menschen gut ankam. Und wie festgestellt wurde, viel besser als bei „Grenzen”, wobei, so die Verlegerin, es seit 1989 mehr Grenzen gibt als gedacht. Das Magazin-Cover verdeutlicht dies auch durch seine Zweiteilung, wie z.B. angestrebt collagiert oben Paradies und unten höllische Dürre.
Erfreulich sind Artikel mit Mundart und ein Forum für junge Nachwuchsautoren.
Sarah Angelmahr, die sich dagegen verwehrte, als junges Blut zu gelten, engagiert sich in der Werbung, will es in die Schulen tragen, an die RPTU Landau, auch sind die social media wie Instagram und TikTok von enormer Bedeutung. Ruth Ratter lobte, dass auf der Verlags-Homepage Audios und Videos angeboten werden, so sei man am Puls der Zeit. Manuel Theophil will den Titel mit Leben füllen, indem auch Künstler mit einbezogen werden, was sich durch die vielen Bilder manifestiert. Er wies auf das Essay am Anfang der PalatinArt hin, worin sich kulturwissenschaftliche Perspektiven ergeben. Idyllen haben unüberwindbare Grenzen, können auch Gewalt beinhalten, wenn sie erstarren, sich abschotten. Siehe Europa als solches, siehe das Migrationsproblem.
Ratter führte aus: Ein Thema entwickelt sich organisch aus dem vorherigen. Das Konzept orientiert sich an der Gesellschaft, was erwartet man da mehr – denn wie reagieren Interessierte in den Buchhandlungen – das peppige Cover soll für ein haptisches Zugreifen sorgen, im Gegensatz zu der textlastigen Chaussee mit SW-Bildern.
Madeleine Giese warf im Feedback in den Raum, dass Literatur durchaus politisch wirken und Grenzen im Kopf überwinden kann.
Die musikalische Umrahmung wurde durch den aus Syrien stammenden Gitarristen Ahmad Wahhoud gestaltet, besonders einprägsam ein arabisches Lied. Gerd Forster rief: „Es ist ein wunderschönes Spiel über die Grenzen!” Wahhoud ist Mitglied der viel bepreisten Band Shaian.
Claudia Germann verwies mit Blick auf die mittelmäßige Gäste-Resonanz auf die parallel stattfindende Veranstaltung „Grenzen im Fokus” in der Friedenskapelle Kaiserslautern hin. Solcherlei war im Sommer ein Thema bei einem von Christoph Dammann initiierten Workshop für die freie Szene, worüber Reiner Henn berichtete und sich wie andere für eine stärkere, übergeordnete Abstimmung stark machten.
Ausgaben der PalatinArt.:
01/2024 „Wir reden mit! Teilhabe. Beteiligung. Demokratie.„
02/2024 „Grenzen„
03/2025 „Idylle/Paradiesgarten”