
Marianne Baun, in Langwieden (Landkreis Kaiserslautern) geboren und in Pirmasens aufgewachsen, studierte Pädagogik, Sonderpädagogik, Philosophie u.a. in Kaiserslautern, Landau, Worms, Mainz und Frankfurt. Sie lebt und arbeitet heute als Autorin und Kirchenmusikerin in Kirchheimbolanden wo sie übers Jahr zahlreiche Termine (Gottesdienste, Konzerte, Lesungen) absolviert.
Seit 2019 ist sie Patientenfürsprecherin für das Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern, Standort Kirchheimbolanden, und seit 2023 Landessprecherin der Patientenfürsprecher an rheinland-pfälzischen Krankenhäusern. Marianne Baun ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller Rheinland-Pfalz, im Literaturwerk Rheinland-Pfalz-Saar und im Literarischen Verein der Pfalz.
Textbeispiel „Janphen”
Janphen ist eine junge Frau aus Thailand, die seit Jahren in Deutschland lebt.
Die Mutter brachte sie und ihre sechs Geschwister allein zur Welt. Die Familie lebte auf dem Land, hatte 80 Kühe sowie Reis- und Tabakfelder. Der Vater war Arzt. Er war ein angesehener und fleißiger Mann in ihrem Dorf. Mit 31 Jahren starb er. Er wurde von dem eigenen Schwager aus Habsucht und Neid erstochen und musste lebenslang ins Gefängnis.
Die Mutter zog die Kinder allein auf. Sie gingen alle zur Schule. Janphen, die zweite Tochter, arbeitete nach der Schule bei einem Frisör und half der Mutter im Haus beim Putzen, Waschen und Kochen sowie in der Landwirtschaft. Sie liebte die Mutter und verstand sich gut mit den Geschwistern. Unbekümmert lebte sie auf dem Land, machte sich wenig Gedanken um ihre Zukunft und tat ihre Arbeit.
Janphen ist 20 Jahre alt. Dann kommt der Tag, an dem sich ihr gesamtes Leben verändern sollte. Tante Ting, die in Bangkok in einem Hotel arbeitet, kommt zu Besuch. Sie bringt Hans, einen Europäer, mit. Das ist eine Sensation für die ganze Familie und das Dorf. Alle kommen zusammen: Die Geschwister, Vettern und Kusinen, Nachbarn, Freunde und Bekannte. Sie wollen sehen und hören, warum die Tante den weiten Weg in ihr Dorf mit diesem Fremden auf sich genommen hat.
Hans, ein deutscher Endfünfziger, ist Witwer. Er ist ein lieber Kerl, gutmütig, hilfsbereit, lustig. Er ist finanziell abgesichert und möchte jetzt sein Leben ändern. Vor allem möchte er nicht mehr allein sein. Er erzählte Tante Ting, dass er eine Frau zum Heiraten sucht. Eine Frau aus einer ordentlichen Familie, ohne Vergangenheit und Allüren.
Nun sitzen alle im Haus der Mutter zusammen. Sie schauen und beobachten sich, reden, fragen, essen und trinken miteinander. Sie sind gespannt und warten. Auf einmal zeigt Hans auf Janphen und sagt: „Die will ich haben“.
Janphen ist überrascht: „Nein, um Himmels Willen, du bist ja viel älter als meine Mutter. Ich will dich nicht.“
Hans lässt sich nicht beirren. „Die oder keine“, sagt er und verschränkt die Arme. Er denkt nicht daran abzureisen. Er geht einfach nicht weg. Er bleibt und wartet. Eine Woche. Janphen bespricht sich mit der Tante. Die Tante sagt: „Er ist ein guter Mensch. Heirate ihn, dann hast du keine Sorgen mehr.“ Die Mutter sagt: „Überlege dir: Wie sieht dein Leben aus, wenn du einen thailändischen Mann heiratest? Du bekommst zwei Kinder, dein Mann geht fremd und die Ehe geht auseinander, wie die meisten thailändischen Ehen. Also überlege, was du machst.“
Janphen will es anders. Aber wie? Sie hat Hans in dieser Woche ein wenig kennen gelernt. Sie war zwar nie allein mit ihm und hat nie allein mit ihm gesprochen. Aber sie hat ihn beobachtet und denkt: Du bist ein armer, einsamer Kerl. Du tust mir leid. Ich will dir helfen. Ich habe auch keine Alternative. Schließlich ist sie einverstanden.
Hans muss die Mutter um Erlaubnis fragen. Die Mutter äußert ihre Angst, Hans könnte Janphen einfach so mitnehmen und verkaufen. Sie spricht auch den Altersunterschied an. Hans ist schließlich 40 Jahre älter. „Aber du musst wissen, was du willst“, sagt sie zu ihrer Tochter. Janphen hat sich entschieden.
Nach der Hochzeit bleiben sie noch fünf Tage im Haus der Mutter. Dann will Hans Janphen das Land zeigen, wo sie geboren und aufgewachsen ist, da sie bisher kaum aus ihrem Dorf herausgekommen ist. Sie sind insgesamt zwei Jahre in Thailand unterwegs, bevor sie nach Deutschland aufbrechen.