Literarischer Verein der Pfalz e.V.
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Sigrid Stemler

Sig­rid Geor­gi­ne Stem­ler wur­de 1944 in der Pfalz gebo­ren und lebt auch wie­der hier, nach­dem sie eine kur­ze Lebens­pha­se in Ber­lin ver­brach­te.

Schon früh ent­deck­te sie das Schrei­ben als ihr Hob­by. Ein klei­ner Gedicht­band mit selbst­ge­mal­ten Bil­dern war ihr Erst­lings­werk und der Aus­lö­ser, das Schrei­ben ernst­haft zu stu­die­ren. Sie besuch­te ver­schie­de­ne Semi­na­re und Kur­se.

Von ihr erschie­nen sind eini­ge Kurz­ge­schich­ten in Antho­lo­gien.

2018 brach­te der Ver­lag Wald­kirch ihren ers­ten Roman unter dem Titel „Nahe der Gren­ze“ her­aus. Hier geht es um eine Fami­lie die 1939 emi­grie­ren muss­te, da sie nur weni­ge Kilo­me­ter von der Fran­zö­si­schen Gren­ze behei­ma­tet war. Es begann eine Irr­fahrt von der sie nicht wuss­te wo sie enden wür­de. Der Frau mit ihren 6 Mäd­chen war es nicht mög­lich in ihren Hei­mat­ort zurück zu keh­ren, da der Vater im Krieg ver­misst blieb, und sie einen Umzug allei­ne nicht geschafft hät­te. Ein Leben lang quäl­te sie das Heim­weh.

2024 erschien ihr zwei­ter Roman mit dem Titel „Im Leben gefan­gen“. Hier­in sind Fami­lie, Ent­beh­rung, Freund­schaft, Suche nach Lie­be und die Suche der Prot­ago­nis­tin nach dem Vater die Spann­brei­te des Romans.


Leseprobe (Romanauszug aus „Nahe der Grenze”)

Bil­der des gest­ri­gen Tages flam­men vor mei­nen Augen auf: Ich sit­ze mit Mut­ter und mei­nen drei klei­nen Geschwis­tern in der Küche beim Mit­tag­essen, die Fens­ter­lä­den halb geschlos­sen, um die grel­le Son­ne aus­zu­sper­ren.

Flie­gen summ­ten an den Schei­ben, als ein Klop­fen an der Tür die trä­ge Ruhe, die den Raum füll­te, zer­riss. Mit einem: „Ent­schul­di­ge wenn ich stö­re, Ber­tha“, war der Bür­ger­meis­ter ein­ge­tre­ten. „Du musst das Nötigs­te packen und dich auf den Weg zur Trul­ber-Müh­le machen. Ein Bus holt dort alle schwan­ge­ren Frau­en ab und bringt sie nach Pir­ma­sens zum Bahn­hof. Die grenz­na­hen Orte müs­sen in den nächs­ten Tagen geräumt wer­den und die Schwan­ge­ren sind die ers­ten die gehen müs­sen.“

Mut­ter hat­te sich gewehrt: „Aber das geht doch nicht! Was ist mit den Kin­dern und mei­nem Mann? Wohin bringt man uns über­haupt?“

Das Ziel hat­te er nicht gewusst, aber dass Mut­ter nur mei­ne Geschwis­ter mit­neh­men, und mich, weil ich 14 Jah­re alt bin, zurück­las­sen muss­te, das konn­te er ihr sagen. Eine Wel­le von Hass auf den Mann über­schwemm­te mich und sei­ne Sät­ze hal­len mir noch immer in den Ohren.

Halb von Sin­nen vom Abschieds­schmerz, sah ich mei­ne Fami­lie in den Zug stei­gen. Ver­las­sen blieb ich auf dem Bahn­steig zurück. Das Hol­pern und Pochen mei­nes Her­zens, bei der Abfahrt des Zuges kann ich noch heu­te spü­ren.

Ver­zwei­felt war ich danach von der Trul­ber-Müh­le, wo mich der Bus­fah­rer aus­stei­gen ließ, hin­auf nach Hilst getrot­tet.

Heu­te Mor­gen bin ich mit mei­ner Tan­te und ihrer Fami­lie nach Eppen­brunn zu einem Sam­mel­platz auf­ge­bro­chen. Ganz Hilst ist auf den Bei­nen. Immer wie­der höre ich das Wort ‚Rück­füh­rung’ und kann damit nichts anfan­gen. Alte und Kin­der wer­den auf Lei­ter­wa­gen ver­teilt, die von Och­sen­ge­span­nen gezo­gen wer­den. Und da ich seit ges­tern weiß, dass ich kein Kind mehr bin, über­rascht es mich nicht, dass ich zu Fuß gehen muss. Die Hoff­nung, dass ich am Abend wie­der bei den Mei­nen sein wer­de, erleich­tert mir das Lau­fen auf der ste­tig anstei­gen­den Land­stra­ße, die in das drei­ßig Kilo­me­ter ent­fern­te Lei­men führt.

Die Son­ne steht schon hoch und der Schweiß drängt uns aus allen Poren, als wir in einen Wald­weg ein­bie­gen. Wir erfri­schen uns an einem Bach der mun­ter dahin­plät­schert. Es ist ein ver­wun­sche­nes Plätz­chen unter hohen Tan­nen, an dem wir ras­ten. Die Son­nen­strah­len, die sich durch die Äste steh­len, las­sen Licht­krin­gel auf dem Boden tan­zen. Wie schla­fen­de Fabel­we­sen liegt mit Moos über­zo­ge­nes Tot­holz zwi­schen den Hecken. Mei­ne Zuver­sicht, am Abend wie­der bei Mut­ter zu sein, schwin­det, als ich aus den Gesprä­chen höre, dass wir mor­gen von Lei­men aus noch wei­ter­lau­fen wer­den. Lust­los set­ze ich mich mit den ande­ren wie­der in Trab.

Stumpf­sin­nig wie eine Her­de Kühe, trot­ten wir wei­ter berg­an. Wir fol­gen den Lei­ter­wa­gen, deren eisen­be­schla­ge­ne Rei­fen metal­lisch auf der Stra­ße rum­peln.

Dich­ter wer­den­der Wald nimmt uns in sei­nem Schat­ten auf. Bei anbre­chen­der Dun­kel­heit errei­chen wir müde und ver­schwitzt Lei­men, wo wir im Tanz­saal eines Gast­hau­ses über­nach­ten. Auch am nächs­ten Tag, quä­len wir uns Kilo­me­ter um Kilo­me­ter, von einer kur­zen Rast in Johan­nis­kreuz unter­bro­chen, bis nach Hoch­spey­er. Glück­li­cher­wei­se geht es meist berg­ab. Bei unse­rer Ankunft in der dor­ti­gen Wirt­schaft zie­ren dicke Bla­sen mei­ne schmer­zen­den Füße, und mei­ne Müdig­keit ist so groß, dass die Ent­täu­schung, mei­ne Mut­ter auch hier nicht zu fin­den, dar­in ver­sinkt. Nach dem Essen stre­cken wir uns auf Prit­schen aus, die wie in der Unter­kunft der ver­gan­ge­nen Nacht, im Tanz­saal auf­ge­schla­gen sind.

Ein paar Män­ner blei­ben hef­tig debat­tie­rend an den Tischen zurück. Die Infor­ma­ti­on des Wir­tes über den Ein­marsch Hit­lers in Polen, hat sie in Auf­re­gung ver­setzt. Am Mor­gen, als ich die Tan­te zum wie­der­hol­ten Male nach Mut­ter fra­ge, ant­wor­tet sie unge­dul­dig: „Jetzt, nach dem Ein­marsch in Polen, weiß kei­ner, was als nächs­tes kommt.“


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