Der Lite­ra­ri­sche Ver­ein der Pfalz lud am 16. Nov. wie jedes Jahr zum ganz­tä­gi­gen Autor­en­se­mi­nar ein, dies­mal auf­grund von Ter­min­schwie­rig­kei­ten in das Forst­haus Ann­wei­ler anstatt wie gewohnt in die Pfalz­aka­de­mie Lam­brecht.


Die schön gele­ge­ne Gast­stät­te „Schwar­zer Fuchs” ist abseits der B48 über einen 4 km lan­gen schma­len und holp­ri­gen Weg zu errei­chen. Roman­tisch zie­hen Nebel­fet­zen über die Baum­wip­fel. Sau­er­stoff­über­schuss. Gern fre­quen­tiert durch Wan­de­rer und Fel­sen­klet­te­rer. Die Küche mit der Haus­manns­kost ist emp­feh­lens­wert.


Die Lei­tung hat­te Bir­git Heid aus Land­au. Sie ist die Ers­te Vor­sit­zen­de des Lite­ra­ri­schen Ver­eins.
Jeder der acht Autoren und Autorin­nen ver­füg­te über 45 Minu­ten zum Lesen und aus­führ­li­chen kon­struk­ti­ven Bespre­chen des Tex­tes durch alle Teil­neh­men­den. 
Die Ver­an­stal­tung begann in dem Semi­nar­raum mit rus­ti­ka­lem Charme um 9:00 Uhr mit einer Auf­wärm­pha­se, um 9:30 Uhr war der ers­te Autor dran, zwi­schen­durch gab es Kaf­fee­pau­sen und ein Mit­tag­essen. Das Semi­nar ende­te um 17:00 Uhr mit einem Resü­mee. Unter den Bei­trä­gen gab es ein Gedicht und sie­ben Kurz­ge­schich­ten, eine davon in Mund­art von Knut Busch. Die Qua­li­tät war bei allen Tex­ten ange­nehm hoch.


Ulrich Bun­jes aus Spey­er las aus sei­ner Kurz­pro­sa „Die Frau gegen­über”. Auf einer Zug­fahrt von Mann­heim über Frank­furt nach Kas­sel bekommt der Prot­ago­nist Besuch von einer über­aus wand­lungs­fä­hi­gen Frau. Die­se hat drei Plas­tik­tü­ten dabei mit atem­be­rau­ben­dem Inhalt. Beim jewei­li­gen Hin­ein­bli­cken kann man gleich einem hoch rea­lis­ti­schen Holo­gramm mit enor­mer Ton­ku­lis­se eine Ker­we, ein Ski­ge­biet und den Bal­ler­mann betrach­ten. Dabei passt sich die Frau jeweils modisch an, sogar ihre Haar­far­be wech­selt abrupt mit. Es fal­len kri­ti­sche Anmer­kun­gen wie „over tou­rism” und der anti­se­mi­ti­sche Vor­fall bei der Docu­men­ta.
Gelobt wur­de in der Text­kri­tik die ori­gi­nel­le Idee und der sau­be­re Stil ohne Ecken und Kan­ten. Jemand befand, dass sich der Text beim Lesen bes­ser erschließt als beim Vor­tra­gen. Vie­le Kom­men­ta­re beschäf­tig­ten sich mit der Sur­rea­li­tät, ob der Prot­ago­nist einen Traum hat­te, einen Film im Film, oder ob es eine Geschich­te mit futu­ri­schen Ele­men­ten ist.  Bun­jes wies auf sei­ne Text­kür­zung hin, um der For­de­rung nach max. 5000 Zei­chen gerecht zu wer­den.  

Bir­git Heid aus Land­au brach­te einen etwa 10 Jah­re alten Text mit dem Titel „Sturm­brau­sen” mit. Susan­ne und André daten sich zum ers­ten Mal in einem Café. Sie hat­ten sich beim Chat­ten ken­nen­ge­lernt. Susan­ne glaubt an soge­nann­te Spie­gel­wel­ten bzw. ‑räu­me, die sich hin­ter den Men­schen befin­den, in der Form, dass das soeben Erleb­te auf ande­re über­tra­gen wer­de. André hat zunächst Ver­ständ­nis­pro­ble­me, ist aber am Ende doch von der Eso­te­rik und ihrer kör­per­li­chen Aus­strah­lung ange­tan, auch wenn Susan­ne zugibt, dass eini­ge sie für leicht ver­rückt hal­ten.
Die Teil­neh­mer fan­den wegen der guten Sti­lis­tik und durch­dach­ten Kon­zep­ti­on wenig aus­zu­set­zen. Ein Kom­men­ta­tor wies auf wis­sen­schaft­li­che Aspek­te wie die Spie­gel­neu­ro­nen hin. Das ist die ange­bo­re­ne Fähig­keit, Ver­hal­tens­for­men zu kopie­ren. Dies ist vor allem für Kin­der über­le­bens­not­wen­dig. Man­che hin­ter­frag­ten auch die Logik hin­ter Ver­schwö­rungs­theo­rien. Der Dia­log weist eine gewis­se Span­nung auf, auch dahin­ge­hend, ob André in Zukunft trotz der „extre­men Ideen” mit Susan­ne eine Bezie­hung ein­geht oder sich frus­triert abwen­det.

Ursu­la Dör­ler aus Stel­zen­berg bei Kai­sers­lau­tern stell­te ihre Kurz­pro­sa „Wie geht es dir Ada?” vor. Eine Fami­lie sitzt zur Kaf­fee­zeit auf der Ter­ras­se. Ada, die Schwes­ter von Max, erzählt, dass sie nach dem Tod ihres Man­nes einen Mops anschaf­fen will, was auf abfäl­li­ge Sprü­che ihres Bru­ders stößt. Paul, der Sohn von Max, zählt die gesund­heit­li­chen Pro­ble­me durch die Züch­tung auf. Ada erwi­dert jedoch, ihr Mops sei eine Rück­züch­tung mit Gesund­heits­zer­ti­fi­kat. Am Schluss weiß sie sich gegen­über Max mit Ver­ve durch­zu­set­zen.
Ein Teil­neh­mer war ver­wirrt über die vie­len Namen und Ver­wandt­schafts­ver­hält­nis­se am Anfang, lob­te aber den Text­auf­bau sowie den Blick in psy­chi­sche Abgrün­de. Viel­fach wur­de die star­ke Poin­te am Schluss geschätzt. Hat der Text eine Meta­ebe­ne mit dem Ver­gleich von Mensch zu Tier? Bir­git Heid kom­men­tier­te, der Text glän­ze, sei viel­schich­tig und beschrei­be die Per­so­nen in der Gesell­schaft recht gut. Knut Busch über­leg­te, ob man hie und da kür­zen kön­ne, aber lie­ber nicht, mög­li­cher­wei­se sei die Sto­ry dann kaputt. Ein Autor ver­wies am Ran­de auf das The­ra­pie­kon­zept mit Lese­hun­den für Kin­der mit Schwä­chen in Deutsch. Kürz­lich fand der bun­des­wei­te Vor­le­se­tag statt.

Am Ende führ­te Heid 26 Punk­te auf, die Erfah­run­gen aus den letz­ten fünf Jah­ren zusam­men­fass­ten.
Hier eini­ge bei­spiel­haft:

Lyrik:

  • Redu­zie­rung von Ver­ben und Adjek­ti­ven
  • Kor­rek­te und exak­te Rei­me und Rhyth­men (bei metri­schen Gedich­ten)
  • Bei Pro­sa­ge­dich­ten die Ent­wick­lung des eige­nen lyri­schen Stils betrei­ben
  • Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen
  • Redu­zie­rung von The­men


Pro­sa:

  • Hand­werk­lich sau­ber schrei­ben, Span­nung bewusst ein­set­zen
  • Show, don’t tell: einen Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum anbie­ten
  • Meta­phern ver­wen­den
  • Die Spra­che an den Ort anglei­chen und der Erzähl­zeit annä­hern
  • Das Bin­nen­ver­hält­nis der Protagonist*innen beleuch­ten
  • Sorg­fäl­ti­ge Recher­che und Plau­si­bli­tä­ten
  • Hand­werk­lich sau­ber arbei­ten, Span­nung bewusst ein­set­zen


Das Semi­nar steht jedem offen – auf Anfra­ge auch Nicht­mit­glie­dern – Anfän­ger wie Pro­fis, Lyrik oder Pro­sa, Hoch­deutsch und Mund­art, fer­ti­ge Tex­te oder ers­te lite­ra­ri­sche Geh­ver­su­che.


Quel­le: https://www.wochenblatt-reporter.de/annweiler/c‑lokales/autorenseminar-mitten-im-pfaelzer-wald_a605922