Land­au-Godram­stein am 25. Novem­ber im evang. Gemein­de­saal. Unter dem
Mot­to „Der Herbst ist gut“ lasen 12 Autorin­nen und Autoren aus der Pfalz
und dar­über hin­aus Gedich­te und Kurz­pro­sa vor, in Hoch­deutsch wie Mund­art.
Das Mot­to lei­tet sich von einem Gedicht von Mar­tha Saal­feld (1898–1976)
ab, deren Geburts­tag sich in die­sem Jahr zum 125. Mal jährt. Natur­na­he
Beschrei­bun­gen, die Ern­te, Stür­me und Son­nen­sei­ten des Lebens wur­den
the­ma­ti­siert, wobei Bir­git Heid, 1. Vor­sit­zen­de des Lite­ra­ri­schen Ver­eins
der Pfalz, auf die enor­me Viel­falt und Wider­sprüch­li­ches in den Sonet­ten
von Saal­feld hin­wies, das reflek­tier­te sich teils in den gele­se­nen
Tex­ten. Ein Sonett ist laut Wiki­pe­dia ein Gedicht aus 14 metrisch
geglie­der­ten Vers­zei­len.
Zur Ein­stim­mung trug Bir­git Heid fol­gen­des Gedicht von Saal­feld vor:
Der Herbst ist gut und ohne Bit­ter­nis
Ist Tod in dem gefüll­ten Haus. Da weht
Geruch von Äpfeln. In der Mul­de geht
Das Brot bis an den Rand. Doch unge­wiß

Und win­zig ist das Kom­men­de. Es glänzt
Von Schwär­ze und der ein­ge­krümm­te Keim
Ist blind und bleich. Schon hält der süße Leim
Die Leich­ten fest. Die Trun­ke­nen bekränzt

Das ocker­far­be­ne Gespenst. Es stockt
Der Gang der Her­den, und die Peit­sche kreist
Nicht län­ger feind­lich. Eine Stim­me preist
Den Tod vor allem. Eine Stim­me lockt.

In den Pau­sen lud der Ver­an­stal­ter zum gemüt­li­chen Tisch mit guter
Ver­kös­ti­gung, ein Dich­ter brach­te als Deko pas­send klei­ne Holz­buch­sta­ben
zum Rei­men mit. Der Gedan­ken­aus­tausch und das Wie­der­se­hen mit alten
Bekann­ten war reiz­voll, auch kamen über­ra­schend vie­le Gäs­te, wel­che sich
über aktu­el­le Lite­ra­tur freu­en konn­ten.
Das 1. Poe­ten­fest wur­de 2013 von der Sek­ti­ons­lei­te­rin in Land­au Bir­git Heid
ins Leben geru­fen, die ursprüng­li­che Idee brach­te der Blog­ger und
Ger­ma­nist Ste­fan Vier­egg aus Kus­el ein, wel­cher vom Erlan­ger Poe­ten­fest schwer beein­druckt
war.
Somit ein Jubi­lä­um, die ers­ten Fes­te fan­den in der Kul­tur­scheu­ne
Bach­s­telz­nest in Ann­wei­ler-Queich­ham­bach in Koope­ra­ti­on mit dem Ver­le­ger
und Volks­kund­ler Hel­mut See­bach statt. 2019 wech­sel­te man nach
Mut­ter­stadt, 2020 fiel es Coro­na zum Opfer, 2021 unter schwie­ri­gen
Bedin­gun­gen in Kai­sers­lau­tern und letz­tes Jahr in Kirch­heim­bol­an­den,
wel­ches noch unter den Nach­wir­kun­gen der Flut­ka­ta­stro­phe im Ahrtal stand.
Auf­grund der kurz­fris­ti­gen Absa­ge einer Autorin wur­de das fein getak­te­te
Pro­gramm, im Block 15 Minu­ten Lese­zeit pro Autor*in mit je 30 Minu­ten
Pau­se, leicht durch­ein­an­der­ge­wir­belt. Die Ver­an­stal­tung dau­er­te von 14 bis
gut 19 Uhr.

Der viel bepreis­te Mund­art­dich­ter Man­fred Dechert aus Lud­wigs­ha­fen
über­rasch­te die Gäs­te mit einem Sketch. Ein Ehe­mann erprobt sich als
mas­kier­ter Sado-Maso­chist und wird von sei­nem streng­gläu­bi­gen
Schwie­ger­va­ter zur Rede gestellt, der denkt sich, die­ser muss Buße tun und
schleppt ihn in des­sen Bibel­kreis, was wei­te­re Schock­mo­men­te für den Kreis
der Beten­den aus­löst. Eine gänz­lich ande­re Sei­te zeigt Dechert mit dem
zwie­späl­ti­gen, expres­sio­nis­ti­schen Gedicht „Ich lee mei Kopp uff de Block”
mit wel­chem er den 3. Preis beim Bocken­hei­mer Dich­ter­wett­streit gewann. Es
schil­dert die letz­ten schau­ri­gen Momen­te eines Manns vor der Ent­haup­tung,
im Ange­sicht des Hen­kers – man kann es auch als Erlö­sung betrach­ten, so
Dechert.

Rei­ner Kranz aus Bad Schön­born trug eine Geschich­te aus dem Zwei­ten
Welt­krieg vor. Ein ame­ri­ka­ni­scher Pilot, des­sen Flug­zeug schwer beschä­digt
ist, zieht es gera­de noch über ein Dorf und macht eine Bruch­lan­dung in
einem Wald­stück. Die Besat­zung über­lebt, der Pilot nicht. Kranz hat in
sei­nem Ort eine Gedenk­ta­fel ange­regt. Dane­ben trug er sen­si­ble kur­ze
Gedich­te vor, die von guter Beob­ach­tungs­ga­be zeu­gen.

Mat­thi­as Zech aus Spey­er erzählt in einem Text vom Besuch einer
Gedenk­stät­te, die sich auf eine Exe­ku­ti­on im Zwei­ten Welt­krieg in der
Nor­man­die bezieht. Der Mund­art­dich­ter hat einen prä­zi­sen Blick, auch für
All­täg­li­ches. In „Non, je ne reg­ret­te rien” hockt der Prot­ago­nist Fritz am
Kiche­disch und sin­niert über sein Leben mit sei­nen Ver­wer­fun­gen nach, dabei
spricht er dem Wein und Lew­wer­worsch­de­brot zu, immer wie­der kommt ihm „Non,
je ne reg­ret­te rien” von Edith Piaf in den Sinn. Er fühlt sich offen­bar
durch die Pla­nun­gen sei­ner Frau bevor­mun­det, fin­det aber vor­läu­fig kei­ne
Lösung und schläft über­mü­det nach deren Heim­kehr von einer Chor­po­be ein.
Eine Nacht mit üblen Träu­men folgt. Mat­thi­as Zech gewann im Okto­ber den
Bocken­hei­mer Dich­ter­wett­streit.

Bir­git Heid aus Land­au-Godram­stein erzähl­te von ihren ers­ten
lite­ra­ri­schen Geh­ver­su­chen, sie ver­such­te den Stil von Mar­tha Saal­feld zu
adap­tie­ren, eine Zeit­lang schrieb Heid jeden Tag ein Sonett. Die Autorin
lern­te den Schrift­stel­ler und Lokal­his­to­ri­ker *Wolf­gang Diehl* ken­nen und
schät­zen und begab sich auf­grund des­sen Anre­gun­gen auf Spu­ren­su­che, denn
Saal­feld galt als nahe­zu ver­ges­sen. Heid besuch­te das Haus in Bad
Bergza­bern, wo sie mit ihrem Mann, dem Gra­phi­ker *Wer­ner vom Scheidt* wohn­te
– wur­de dort her­um­ge­führt. Dar­aus ent­stand das Gedicht „Über­wach­sen”:
„Nicht weit von ihrem Gar­ten steht ein Baum / ganz über­wu­chert, ange­ballt,
Von Zwei­gen, / Büschen, Efeuran­ken. Alter Rei­gen / einer Mau­er sinkt. Ein
Dor­nen­raum / umgarnt das Hin­ter­tor…, was sich in ähn­li­cher Atmo­sphä­re in
„Herbst­blatt” fort­setzt: „…Vor­bei das Fest, die Gaben abge­räumt, und
Keh­richt­be­sen war­ten schon, die Far­ben gar zu mischen und der Erde frei­lich
dar­zu­brin­gen…”
Die Gedich­te fin­den sich im Lyrik­band „Par­ti­tur des Don­ners” wie­der,
erschie­nen 2012 in BoD. Bir­git Heid wies auf die vie­len jun­gen star­ken
Frau­en­fi­gu­ren in Saal­felds Roma­nen hin, z. B. in „Der Wald” eine typi­sche
Dia­na-Gestalt. Der Vor­sit­zen­den gefällt „Anna Mor­ga­na” beson­ders gut.
Mar­tha Saal­feld schil­dert hier­in ihren All­tag als Apo­the­ken­hel­fe­rin, der
Roman wider­spie­gelt einen ein­zi­gen Tag und ver­mischt Rea­li­tät mit sur­rea­len
Ele­men­ten.

Der Lyri­ker Hel­mund Wie­se aus Ober­ot­ter­bach, pro­mo­vier­ter Che­mi­ker, las
ein hal­bes Dut­zend Gedich­te. Die­se wir­ken anfangs her­me­tisch, sprung­haft
die Asso­zia­tio­nen. Spür­bar ist aber auch sein ernst­haf­tes, sen­si­bles
Ein­ge­hen auf kon­struk­ti­ve Kri­tik und sein „Ein­flie­ßen­las­sen” in neue Wer­ke.
Heid äußer­te sich, sei­ne Gedich­te wir­ken wie ein (bun­tes) Kalei­do­skop des
Lebens, die Sta­tio­nen prä­sen­tie­ren sich dem Hörer und Leser in rascher
Fol­ge, was einen sub­li­miert, abs­trak­ten Gesamt­ein­druck wie z. B. beim
Betrach­ten eines Bil­des von Ger­hard Rich­ter hin­ter­lässt.
Die Dich­te­rin Rena­te Demuth (Kai­sers­lau­tern-Hohenecken) stell­te sechs
Gedich­te in Mund­art vor, wel­che deut­lich ihre Her­kunft aus der Saar-Pfalz
bezeu­gen, eine wun­der­vol­le Herbst­be­ge­hung. Heid lob­te die Genau­ig­keit sowie
den Gedan­ken­fluss.
Lothar Seid­ler (Spey­er) glänz­te mit lus­ti­gen und sati­ri­schen Geschich­ten,
wie um einen Gockel und einer Kon­di­to­rei, zu fin­den u.a. in sei­nem Buch
„Der Zufalls­ku­rier in Fahrt”.
Peter Her­zer (Kai­sers­lau­tern) prä­sen­tier­te eine tra­gi­sche
Lie­bes­ge­schich­te, wobei die Prot­ago­nis­tin mit Burn­outs zu kämp­fen hat.
Etwas zu schnell und zu lei­se vor­ge­tra­gen.
Aus Kriegs­feld beim Don­ners­berg brach­te Knut Busch einen kur­zen Text namens
„Herbschd” mit, der typisch für sei­nen melan­cho­lisch, warm­her­zi­gen Stil ist.

Heinz Lud­wig Wüst (Gleis­wei­ler) las aus einem Mund­art­buch Geschich­ten wie
der „Klei­ne Unter­schied” und „Über­ta­rif­lich”, mit dem The­ma Ern­te­zeit im
Win­gert.
Ursu­la Dör­ler (Kai­sers­lau­tern-Stel­zen­berg) mach­te sich Gedan­ken zum
Herbst mit einem fik­ti­ven Brief an Mar­tha Saal­feld. Bir­git Heid lob­te die
sehr schö­nen Denkan­re­gun­gen. Dör­ler arti­ku­lier­te sehr mun­ter und pas­send.
Ulrich Bun­jes (Spey­er) wid­me­te sei­nen Text dem Zitat „Der Herbst ist
immer unse­re bes­te Zeit”, es ent­stammt einem Brief Goe­thes vom 27. Juni
1797 an Fried­rich Schil­ler. Phi­lo­so­phi­sches, nach­denk­li­ches über den Herbst
und sei­ne Prä­gung auf das Leben, gera­de im Rück­blick. Der gebür­ti­ge
Ham­bur­ger lei­tet die Autoren­grup­pe Spi­ra.

Bir­git Heid voll­zog infol­ge der vie­len Rück­mel­dun­gen ein posi­ti­ves Resü­mee
des lite­ra­ri­schen For­mats, da die „Insi­der” in den ver­gan­ge­nen Jah­ren fast
schon unter sich gewe­sen waren. Es ist der Über­le­gung wert, ob es in
Zukunft wie­der eine musi­ka­li­sche Umrah­mung und evtl. Kunst­bei­trä­ge gibt.