Motto „Der Herbst ist gut“ lasen 12 Autorinnen und Autoren aus der Pfalz
und darüber hinaus Gedichte und Kurzprosa vor, in Hochdeutsch wie Mundart.
Das Motto leitet sich von einem Gedicht von Martha Saalfeld (1898–1976)
ab, deren Geburtstag sich in diesem Jahr zum 125. Mal jährt. Naturnahe
Beschreibungen, die Ernte, Stürme und Sonnenseiten des Lebens wurden
thematisiert, wobei Birgit Heid, 1. Vorsitzende des Literarischen Vereins
der Pfalz, auf die enorme Vielfalt und Widersprüchliches in den Sonetten
von Saalfeld hinwies, das reflektierte sich teils in den gelesenen
Texten. Ein Sonett ist laut Wikipedia ein Gedicht aus 14 metrisch
gegliederten Verszeilen.
Der Herbst ist gut und ohne Bitternis
Ist Tod in dem gefüllten Haus. Da weht
Geruch von Äpfeln. In der Mulde geht
Das Brot bis an den Rand. Doch ungewiß
Und winzig ist das Kommende. Es glänzt
Von Schwärze und der eingekrümmte Keim
Ist blind und bleich. Schon hält der süße Leim
Die Leichten fest. Die Trunkenen bekränzt
Das ockerfarbene Gespenst. Es stockt
Der Gang der Herden, und die Peitsche kreist
Nicht länger feindlich. Eine Stimme preist
Den Tod vor allem. Eine Stimme lockt.
In den Pausen lud der Veranstalter zum gemütlichen Tisch mit guter
Verköstigung, ein Dichter brachte als Deko passend kleine Holzbuchstaben
zum Reimen mit. Der Gedankenaustausch und das Wiedersehen mit alten
Bekannten war reizvoll, auch kamen überraschend viele Gäste, welche sich
über aktuelle Literatur freuen konnten.
Das 1. Poetenfest wurde 2013 von der Sektionsleiterin in Landau Birgit Heid
ins Leben gerufen, die ursprüngliche Idee brachte der Blogger und
Germanist Stefan Vieregg aus Kusel ein, welcher vom Erlanger Poetenfest schwer beeindruckt
war.
Somit ein Jubiläum, die ersten Feste fanden in der Kulturscheune
Bachstelznest in Annweiler-Queichhambach in Kooperation mit dem Verleger
und Volkskundler Helmut Seebach statt. 2019 wechselte man nach
Mutterstadt, 2020 fiel es Corona zum Opfer, 2021 unter schwierigen
Bedingungen in Kaiserslautern und letztes Jahr in Kirchheimbolanden,
welches noch unter den Nachwirkungen der Flutkatastrophe im Ahrtal stand.
Aufgrund der kurzfristigen Absage einer Autorin wurde das fein getaktete
Programm, im Block 15 Minuten Lesezeit pro Autor*in mit je 30 Minuten
Pause, leicht durcheinandergewirbelt. Die Veranstaltung dauerte von 14 bis
gut 19 Uhr.
Der viel bepreiste Mundartdichter Manfred Dechert aus Ludwigshafen
überraschte die Gäste mit einem Sketch. Ein Ehemann erprobt sich als
maskierter Sado-Masochist und wird von seinem strenggläubigen
Schwiegervater zur Rede gestellt, der denkt sich, dieser muss Buße tun und
schleppt ihn in dessen Bibelkreis, was weitere Schockmomente für den Kreis
der Betenden auslöst. Eine gänzlich andere Seite zeigt Dechert mit dem
zwiespältigen, expressionistischen Gedicht „Ich lee mei Kopp uff de Block”
mit welchem er den 3. Preis beim Bockenheimer Dichterwettstreit gewann. Es
schildert die letzten schaurigen Momente eines Manns vor der Enthauptung,
im Angesicht des Henkers – man kann es auch als Erlösung betrachten, so
Dechert.
Reiner Kranz aus Bad Schönborn trug eine Geschichte aus dem Zweiten
Weltkrieg vor. Ein amerikanischer Pilot, dessen Flugzeug schwer beschädigt
ist, zieht es gerade noch über ein Dorf und macht eine Bruchlandung in
einem Waldstück. Die Besatzung überlebt, der Pilot nicht. Kranz hat in
seinem Ort eine Gedenktafel angeregt. Daneben trug er sensible kurze
Gedichte vor, die von guter Beobachtungsgabe zeugen.
Matthias Zech aus Speyer erzählt in einem Text vom Besuch einer
Gedenkstätte, die sich auf eine Exekution im Zweiten Weltkrieg in der
Normandie bezieht. Der Mundartdichter hat einen präzisen Blick, auch für
Alltägliches. In „Non, je ne regrette rien” hockt der Protagonist Fritz am
Kichedisch und sinniert über sein Leben mit seinen Verwerfungen nach, dabei
spricht er dem Wein und Lewwerworschdebrot zu, immer wieder kommt ihm „Non,
je ne regrette rien” von Edith Piaf in den Sinn. Er fühlt sich offenbar
durch die Planungen seiner Frau bevormundet, findet aber vorläufig keine
Lösung und schläft übermüdet nach deren Heimkehr von einer Chorpobe ein.
Eine Nacht mit üblen Träumen folgt. Matthias Zech gewann im Oktober den
Bockenheimer Dichterwettstreit.
Birgit Heid aus Landau-Godramstein erzählte von ihren ersten
literarischen Gehversuchen, sie versuchte den Stil von Martha Saalfeld zu
adaptieren, eine Zeitlang schrieb Heid jeden Tag ein Sonett. Die Autorin
lernte den Schriftsteller und Lokalhistoriker *Wolfgang Diehl* kennen und
schätzen und begab sich aufgrund dessen Anregungen auf Spurensuche, denn
Saalfeld galt als nahezu vergessen. Heid besuchte das Haus in Bad
Bergzabern, wo sie mit ihrem Mann, dem Graphiker *Werner vom Scheidt* wohnte
– wurde dort herumgeführt. Daraus entstand das Gedicht „Überwachsen”:
„Nicht weit von ihrem Garten steht ein Baum / ganz überwuchert, angeballt,
Von Zweigen, / Büschen, Efeuranken. Alter Reigen / einer Mauer sinkt. Ein
Dornenraum / umgarnt das Hintertor…, was sich in ähnlicher Atmosphäre in
„Herbstblatt” fortsetzt: „…Vorbei das Fest, die Gaben abgeräumt, und
Kehrichtbesen warten schon, die Farben gar zu mischen und der Erde freilich
darzubringen…”
Die Gedichte finden sich im Lyrikband „Partitur des Donners” wieder,
erschienen 2012 in BoD. Birgit Heid wies auf die vielen jungen starken
Frauenfiguren in Saalfelds Romanen hin, z. B. in „Der Wald” eine typische
Diana-Gestalt. Der Vorsitzenden gefällt „Anna Morgana” besonders gut.
Martha Saalfeld schildert hierin ihren Alltag als Apothekenhelferin, der
Roman widerspiegelt einen einzigen Tag und vermischt Realität mit surrealen
Elementen.
Der Lyriker Helmund Wiese aus Oberotterbach, promovierter Chemiker, las
ein halbes Dutzend Gedichte. Diese wirken anfangs hermetisch, sprunghaft
die Assoziationen. Spürbar ist aber auch sein ernsthaftes, sensibles
Eingehen auf konstruktive Kritik und sein „Einfließenlassen” in neue Werke.
Heid äußerte sich, seine Gedichte wirken wie ein (buntes) Kaleidoskop des
Lebens, die Stationen präsentieren sich dem Hörer und Leser in rascher
Folge, was einen sublimiert, abstrakten Gesamteindruck wie z. B. beim
Betrachten eines Bildes von Gerhard Richter hinterlässt.
Die Dichterin Renate Demuth (Kaiserslautern-Hohenecken) stellte sechs
Gedichte in Mundart vor, welche deutlich ihre Herkunft aus der Saar-Pfalz
bezeugen, eine wundervolle Herbstbegehung. Heid lobte die Genauigkeit sowie
den Gedankenfluss.
Lothar Seidler (Speyer) glänzte mit lustigen und satirischen Geschichten,
wie um einen Gockel und einer Konditorei, zu finden u.a. in seinem Buch
„Der Zufallskurier in Fahrt”.
Peter Herzer (Kaiserslautern) präsentierte eine tragische
Liebesgeschichte, wobei die Protagonistin mit Burnouts zu kämpfen hat.
Etwas zu schnell und zu leise vorgetragen.
Aus Kriegsfeld beim Donnersberg brachte Knut Busch einen kurzen Text namens
„Herbschd” mit, der typisch für seinen melancholisch, warmherzigen Stil ist.
Heinz Ludwig Wüst (Gleisweiler) las aus einem Mundartbuch Geschichten wie
der „Kleine Unterschied” und „Übertariflich”, mit dem Thema Erntezeit im
Wingert.
Ursula Dörler (Kaiserslautern-Stelzenberg) machte sich Gedanken zum
Herbst mit einem fiktiven Brief an Martha Saalfeld. Birgit Heid lobte die
sehr schönen Denkanregungen. Dörler artikulierte sehr munter und passend.
Ulrich Bunjes (Speyer) widmete seinen Text dem Zitat „Der Herbst ist
immer unsere beste Zeit”, es entstammt einem Brief Goethes vom 27. Juni
1797 an Friedrich Schiller. Philosophisches, nachdenkliches über den Herbst
und seine Prägung auf das Leben, gerade im Rückblick. Der gebürtige
Hamburger leitet die Autorengruppe Spira.
Birgit Heid vollzog infolge der vielen Rückmeldungen ein positives Resümee
des literarischen Formats, da die „Insider” in den vergangenen Jahren fast
schon unter sich gewesen waren. Es ist der Überlegung wert, ob es in
Zukunft wieder eine musikalische Umrahmung und evtl. Kunstbeiträge gibt.