
Die Autorengruppe „Wortschatz” unter Leitung von Birgit Heid gestaltete am 27.1.25 in der Matthäuskirche Landau eine Lesung zum Gedenken an die 80-jährige Befreiung von Auschwitz. Es gab erfreulich viele Besucher.
Josef Distl trug Texte über die Aktivistin und Musikerin Esther Bejarano (1924–2021) vor. Bejarano überlebte nur knapp das Grauen von Auschwitz, da sie im Mädchenorchester spielte. Sie engagierte sich für die Verfolgten des Naziregimes und trat bis zu ihrem Tod als Sängerin auf. Distl konnte sie vor einigen Jahren noch live mit ihrer Rapgruppe Microphone-Mafia erleben und war schwer beeindruckt.
Peter Herzer las Gedichte von der jüdischen Lyrikerin Selma Merbaum (1924–1942) und Passagen aus der Biografie von Marion Tauschwitz. Merbaum wuchs in der kulturell reichen rumänischen Stadt Czernowitz auf, überlebte Pogrome, Ghetto, Deportationen und starb mit nur 18 Jahren entkräftet in einem Arbeitslager in Transnistrien an Fleckfieber. Ihr Cousin zweiten Grades war Paul Celan.
Ich möchte leben.
Ich möchte lachen und Lasten heben
und möchte kämpfen und lieben und hassen
und möchte den Himmel mit Händen fassen
und möchte frei sein und atmen und schrein.
Ich will nicht sterben. Nein!
Nein.
Das Leben ist rot,
Das Leben ist mein.
Mein und dein.
Mein.
Frigga Pfirrmann erzählte vom Jüdischen Friedhof Landau, welcher seit 1847 aufgrund der Initiative des Rabbiners Dr. Elias Grünebaum existiert. Ein mittelalterlicher Friedhof konnte noch nicht lokalisiert werden. Darüber hinaus thematisierte Pfirrmann die jüdischen BürgerInnen Landaus und zählte eine lange Liste von Namen auf. Aufgrund der Naziverbrechen sind viele Familien erloschen. Auf dem Friedhof befinden sich u.a. die Gräber der Urgroßeltern von Anne Frank. Im Frank-Loebschen-Haus kann man eine ständige Ausstellung über die jüdische Geschichte besuchen.
Birgit Heid zitierte Gedichte von Gertrud Kolmar (1894–1943) und gab wertvolle Einblicke in ihr Leben. Kolmar stammte aus Berlin und war Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts. Sie arbeitete als Zensorin, Erzieherin und Sekretärin ihres Vaters. Ab 1941 musste sie in einem Rüstungsbetreib arbeiten. 1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert und hochwahrscheinlich gleich nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet.
Ihre Lyrik ist „geprägt von großer sprachlicher Virtuosität und Expressivität, unter gleichzeitiger Beibehaltung traditioneller Formen. In ihrem Werk herrschen Natur- und Frauenthemen vor, oft ins Mystische und Hymnische gesteigert.” (Wikipedia). Erwähnenswert ist: Gedichte von Gertrud Kolmar trug Birgit Heid während der Stolpersteinverlegung vor zwei Jahren vor.
Die musikalische Umrahmung gestaltete eindrucksvoll Peter Damm (Saxophon). Er spielte klassische Stücke von Ernest Bloch.
Der Pfarrer Stefan Bauer fand die passenden besinnlichen Worte und warnte vor rechtsradikalen Tendenzen in der Gesellschaft. Wenige Tage vor der möglichen gemeinsamen Abstimmung von CDU und AFD für eine besonders harte Vorgehensweise gegenüber Migranten, was schon im Vorfeld heftige Kontroversen auslöste.
Am Schluss fand eine Schweigeminute für die Opfer des Nationalsozialismus statt.