Lilo Beil liest aus der Antho­lo­gie „Kind­heits­träu­me” auf der Klei­nen Buch­mes­se in Neckar­stein­ach, 2024

Was ver­bin­det Dich mit Dei­nem Geburts­ort Klin­gen­müns­ter?

Klin­gen­müns­ter ist zwar mein Geburts­ort: dort hat mein Vater, Pfar­rer Rudolf Sei­fer­ling, 1947 einen Amts­bru­der ver­tre­ten, der 1948 aus rus­si­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft heim­kehr­te. Mein Vater nahm dann eine Pfarr­stel­le in Dielkirchen/bei Rocken­hau­sen und spä­ter in Winden/bei Kan­del an, also ist Klin­gen­müns­ter nicht mein Kind­heits­dorf. Erst 50 Jah­re spä­ter, 1997, als ich mein aller­ers­tes Buch („Mai­kä­fer­som­mer”) im August-Becker-Muse­um prä­sen­tie­ren durf­te, knüpf­te ich an mei­ne ers­ten Wur­zeln an. Seit­dem las ich oft in Klin­gen­müns­ter, in der Key­ser­müh­le und vor allem regel­mä­ßig in der Niko­laus­ka­pel­le. Vie­le mei­ner Kri­mis und Geschich­ten spie­len in Klin­gen­müns­ter und Umge­bung, oft mit ver­än­der­ten Orts­na­men
(z. B. „Die Nacht der grau­en Katzen”/„Ein fes­te Burg”/„Lebende Schat­ten”).

In Wiki­pe­dia steht der Anfangs­satz: „Lilo Beil wuchs als Toch­ter eines Pfar­rers auf.“ Aber was ist mit der Mut­ter? Was hat sie Dir geschenkt?

Mei­ner Mut­ter Eli­sa­beth Sei­fer­ling geb. Knapp ver­dan­ke ich mei­ne west­pfäl­zi­schen Wur­zeln. Die Gast­wirts­toch­ter aus Stein­wen­den und mein Vater lern­ten sich 1944 ken­nen, wäh­rend mein Vater, der selbst nie Sol­dat war, sei­nen dor­ti­gen Amts­bru­der ver­trat.
Mei­ne Fami­lie müt­ter­li­cher­seits wohnt/e aus­schließ­lich in der West­pfalz, und mei­ne Schwes­ter und ich ver­brach­ten unse­re Feri­en bei Oma und Opa in Stein­wen­den, wenn nicht in Hei­del­berg bei der ande­ren Oma. Eini­ge mei­ner Geschich­ten und Kri­mis spie­len in der West­pfalz (z. B. „Die Rei­se des Engels”).

Mit Blick auf Jahr­gang 1947, wür­dest Du Dich als Schat­ten­kind bezeich­nen?

Nein, ich war kein „Schat­ten­kind”. Auf Kin­der­fo­tos sieht man ein run­des, wohl­ge­nähr­tes Mäd­chen, das als Pfar­rers­kind auf dem Land wie die Made im Speck auf­wuchs, und in unse­rem Zau­ber­gar­ten in Winden/Südpfalz durf­ten mei­ne Schwes­ter und ich eine nahe­zu unbe­schwer­te Kind­heit erle­ben, mit vie­len Tie­ren vor allem.
Im „Mai­kä­fer­som­mer”, einer Idyl­le mit vie­len Anek­do­ten, ver­ar­bei­te­te ich die­se schö­ne Zeit von Kind­heit und Jugend.

Gibt es in Dei­nem Leben ein Schlüs­sel­er­leb­nis, das Du lite­ra­risch ver­ar­bei­tet hast?

Es gibt/gab meh­re­re Schlüs­sel­er­leb­nis­se, aber das her­vor­ste­chends­te ver­ar­bei­te­te ich in der Sto­ry „Däm­mer­stünd­chen”
(sie­he Jah­res­ga­be des Lite­ra­ri­schen Ver­eins der Pfalz, „Kind­heits­träu­me”). Ich bekam damals zufäl­lig mit, wie mei­ne Eltern sich im Flüs­ter­ton über die Nazi­gräu­el unter­hiel­ten. Die­ses Erleb­nis beein­fluss­te wohl mein spä­te­res Schrei­ben the­ma­tisch.

Oft wird das Kri­mi-Gen­re als Brot & But­ter-Geschäft bezeich­net. Was sagst Du dazu all­ge­mein und was hebt Dei­ne Wer­ke hier­von ab?

Die­ser selt­sa­me Aus­druck ist mir unbe­kannt, was soll er denn bedeu­ten? Dass man als Kri­mi­au­tor vom Schrei­ben leben kann?
Solch ein Unsinn. Ich wäre längst ver­hun­gert, wenn ich dar­auf gewar­tet hät­te, dabei habe ich in 16 Jah­ren 14 Kri­mis und vie­le Geschich­ten geschrie­ben und ver­öf­fent­licht. Mir ging es stets um Wert­schät­zung durch gleich­ge­sinn­te Leser­schaft.
Pro­fit? Ver­giss es. Für mich traf das nie zu.

Exis­tiert bei Dir ein häu­fig ver­wen­de­tes Wort oder ein beson­de­res The­ma?

Ein The­ma, das mich seit frü­her Jugend nicht los­lässt, ist die „Schat­ten­zeit” des sog. Drit­ten Rei­ches, aber auch gesell­schaft­lich-sozia­le-psy­cho­lo­gi­sche The­men wie Mobbing/Missbrauch/Stalking/Depression habe ich ver­ar­bei­tet. Als Leh­re­rin an einem Gym­na­si­um hat­te ich 36 Jah­re lang als (lei­der oft hilf­lo­se) Beob­ach­te­rin viel Anschau­ungs­ma­te­ri­al.

Besuchst Du Schu­len, um Dein Wis­sen zu tei­len?

Ja, seit mehr als 10 Jah­ren lese/las ich bis­her jedes Jahr zum Geschwis­ter-Scholl-Gedenk­tag (22. Febru­ar) an der gleich­na­mi­gen Gesamt­schu­le in Bens­heim an der Berg­stras­se. Immer ein beglü­cken­des Erleb­nis, 5.und 6.Klässlern behut­sam mei­ne Geschich­ten aus „Schat­ten­zeit” nahe­zu­brin­gen.

Aus dem Nach­lass von Kaf­ka stammt das Zitat: „Die Kunst fliegt um die Wahr­heit, aber mit der ent­schie­de­nen Absicht, sich nicht zu ver­bren­nen.“ – Was bedeu­tet Dir Wahr­heit … ein Kampf um das Ver­ges­sen?

Das Zitat ver­ste­he ich so, dass die Wahr­heit weh tut, dass man sich als Autor an gewis­sen The­men „ver­bren­nen” kann. Ja, das habe ich erlebt, z. B. in Form eines bit­ter­bö­sen Brie­fes eines Zeit­ge­nos­sen aus der „rech­ten Ecke”, dem die sehr gute Rezen­si­on mei­nes Kri­mis „Das glä­ser­ne Glück” (The­ma Gurs und Holo­caust) nicht gefiel. Schrei­ben als Kampf gegen das Ver­ges­sen, ja, aber bei mir ohne erho­be­nen Zei­ge­fin­ger. Ich möch­te mei­ne Leser­schaft emo­tio­nal berüh­ren, nicht beleh­ren. Wenn das mal übrig­bleibt als Fazit mei­nes Schrei­bens, dann soll es gut sein. In mei­nen Geschich­ten, Büchern und Gedich­ten wer­det Ihr mich fin­den, auch wenn Ihr ver­geb­lich nach dem Namen LILO sucht.
Dafür gibt es Char­lot­te, Eli­sa­beth, Ruth und wie sie alle hei­ßen.
Ich schrei­be nicht auto­bio­gra­fisch, son­dern auto­fik­tio­nal, also ver­mi­schen sich bei mir Fact and Fic­tion, Wirk­lich­keit und Ima­gi­na­ti­on.

—————————————————————————————————————————-

Links

Home­page von Lilo Beil

Por­trait auf Home­page LVP

Wochen­blatt-Arti­kel vom 17. Juli 2024

Wiki­pe­dia

Werke (kleine Auswahl)
  • Leben­de Schat­ten. Con­te Ver­lag, 2023
  • Letz­te Rosen. Con­te Ver­lag, 2021
  • Schor­le­blues. Well­hö­fer Ver­lag, 2021
  • Mäd­chen im roten Kleid. Con­te Ver­lag, 2019
  • Schat­ten­zeit Geschich­ten. Edi­ti­on Tin­ten­faß, 2005