Was verbindet Dich mit Deinem Geburtsort Klingenmünster?
Klingenmünster ist zwar mein Geburtsort: dort hat mein Vater, Pfarrer Rudolf Seiferling, 1947 einen Amtsbruder vertreten, der 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrte. Mein Vater nahm dann eine Pfarrstelle in Dielkirchen/bei Rockenhausen und später in Winden/bei Kandel an, also ist Klingenmünster nicht mein Kindheitsdorf. Erst 50 Jahre später, 1997, als ich mein allererstes Buch („Maikäfersommer”) im August-Becker-Museum präsentieren durfte, knüpfte ich an meine ersten Wurzeln an. Seitdem las ich oft in Klingenmünster, in der Keysermühle und vor allem regelmäßig in der Nikolauskapelle. Viele meiner Krimis und Geschichten spielen in Klingenmünster und Umgebung, oft mit veränderten Ortsnamen
(z. B. „Die Nacht der grauen Katzen”/„Ein feste Burg”/„Lebende Schatten”).
In Wikipedia steht der Anfangssatz: „Lilo Beil wuchs als Tochter eines Pfarrers auf.“ Aber was ist mit der Mutter? Was hat sie Dir geschenkt?
Meiner Mutter Elisabeth Seiferling geb. Knapp verdanke ich meine westpfälzischen Wurzeln. Die Gastwirtstochter aus Steinwenden und mein Vater lernten sich 1944 kennen, während mein Vater, der selbst nie Soldat war, seinen dortigen Amtsbruder vertrat.
Meine Familie mütterlicherseits wohnt/e ausschließlich in der Westpfalz, und meine Schwester und ich verbrachten unsere Ferien bei Oma und Opa in Steinwenden, wenn nicht in Heidelberg bei der anderen Oma. Einige meiner Geschichten und Krimis spielen in der Westpfalz (z. B. „Die Reise des Engels”).
Mit Blick auf Jahrgang 1947, würdest Du Dich als Schattenkind bezeichnen?
Nein, ich war kein „Schattenkind”. Auf Kinderfotos sieht man ein rundes, wohlgenährtes Mädchen, das als Pfarrerskind auf dem Land wie die Made im Speck aufwuchs, und in unserem Zaubergarten in Winden/Südpfalz durften meine Schwester und ich eine nahezu unbeschwerte Kindheit erleben, mit vielen Tieren vor allem.
Im „Maikäfersommer”, einer Idylle mit vielen Anekdoten, verarbeitete ich diese schöne Zeit von Kindheit und Jugend.
Gibt es in Deinem Leben ein Schlüsselerlebnis, das Du literarisch verarbeitet hast?
Es gibt/gab mehrere Schlüsselerlebnisse, aber das hervorstechendste verarbeitete ich in der Story „Dämmerstündchen”
(siehe Jahresgabe des Literarischen Vereins der Pfalz, „Kindheitsträume”). Ich bekam damals zufällig mit, wie meine Eltern sich im Flüsterton über die Nazigräuel unterhielten. Dieses Erlebnis beeinflusste wohl mein späteres Schreiben thematisch.
Oft wird das Krimi-Genre als Brot & Butter-Geschäft bezeichnet. Was sagst Du dazu allgemein und was hebt Deine Werke hiervon ab?
Dieser seltsame Ausdruck ist mir unbekannt, was soll er denn bedeuten? Dass man als Krimiautor vom Schreiben leben kann?
Solch ein Unsinn. Ich wäre längst verhungert, wenn ich darauf gewartet hätte, dabei habe ich in 16 Jahren 14 Krimis und viele Geschichten geschrieben und veröffentlicht. Mir ging es stets um Wertschätzung durch gleichgesinnte Leserschaft.
Profit? Vergiss es. Für mich traf das nie zu.
Existiert bei Dir ein häufig verwendetes Wort oder ein besonderes Thema?
Ein Thema, das mich seit früher Jugend nicht loslässt, ist die „Schattenzeit” des sog. Dritten Reiches, aber auch gesellschaftlich-soziale-psychologische Themen wie Mobbing/Missbrauch/Stalking/Depression habe ich verarbeitet. Als Lehrerin an einem Gymnasium hatte ich 36 Jahre lang als (leider oft hilflose) Beobachterin viel Anschauungsmaterial.
Besuchst Du Schulen, um Dein Wissen zu teilen?
Ja, seit mehr als 10 Jahren lese/las ich bisher jedes Jahr zum Geschwister-Scholl-Gedenktag (22. Februar) an der gleichnamigen Gesamtschule in Bensheim an der Bergstrasse. Immer ein beglückendes Erlebnis, 5.und 6.Klässlern behutsam meine Geschichten aus „Schattenzeit” nahezubringen.
Aus dem Nachlass von Kafka stammt das Zitat: „Die Kunst fliegt um die Wahrheit, aber mit der entschiedenen Absicht, sich nicht zu verbrennen.“ – Was bedeutet Dir Wahrheit … ein Kampf um das Vergessen?
Das Zitat verstehe ich so, dass die Wahrheit weh tut, dass man sich als Autor an gewissen Themen „verbrennen” kann. Ja, das habe ich erlebt, z. B. in Form eines bitterbösen Briefes eines Zeitgenossen aus der „rechten Ecke”, dem die sehr gute Rezension meines Krimis „Das gläserne Glück” (Thema Gurs und Holocaust) nicht gefiel. Schreiben als Kampf gegen das Vergessen, ja, aber bei mir ohne erhobenen Zeigefinger. Ich möchte meine Leserschaft emotional berühren, nicht belehren. Wenn das mal übrigbleibt als Fazit meines Schreibens, dann soll es gut sein. In meinen Geschichten, Büchern und Gedichten werdet Ihr mich finden, auch wenn Ihr vergeblich nach dem Namen LILO sucht.
Dafür gibt es Charlotte, Elisabeth, Ruth und wie sie alle heißen.
Ich schreibe nicht autobiografisch, sondern autofiktional, also vermischen sich bei mir Fact and Fiction, Wirklichkeit und Imagination.
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Links
Wochenblatt-Artikel vom 17. Juli 2024
Werke (kleine Auswahl)
- Lebende Schatten. Conte Verlag, 2023
- Letzte Rosen. Conte Verlag, 2021
- Schorleblues. Wellhöfer Verlag, 2021
- Mädchen im roten Kleid. Conte Verlag, 2019
- Schattenzeit Geschichten. Edition Tintenfaß, 2005