Westbahnhof ein. Anlässlich des 90. Jahrestags der Bücherverbrennung
stellte sie einen der vielen Autoren und Autorinnen heraus, die damals um
ihr Leben fürchten mussten, denn es hieß, wenn man Bücher verbrennt, wird
man am Ende auch Menschen verbrennen. In Landau wurden am 10. Mai 1933
durch die HJ im Beisein hunderter Zuschauer am (ehemaligen) Paradeplatz vor
dem Rathaus marxistische und schwarz-rot-goldene Fahnen sowie Bücher
verbrannt, ob ein Werk von Goll darunter war, ist nicht belegt. Ein
weiteres Beispiel ist Martha Saalfeld, die sich dem System verweigerte und
darunter lange leiden musste. In der Online-Dokumentation „Verbrannte Orte“
finden sich Dokumente gegen das Vergessen, am Büchertisch lagen Flyer aus.
Birgit Heid stellte die Biografie des Schriftstellers und Philosophen vor
und begann mit dem Gedicht „…Freunde, ich bin nur Gast in meinem Körper“.
Yvan Goll wurde 1891 im lothringischen Saint-Dié geboren und wuchs im
schwierigen deutsch-französischen Umfeld auf. Der Dichter mit jüdischer
Herkunft war Pazifist und flüchtete Anfang des Ersten Weltkriegs in die
Schweiz. Danach wohnte er in Paris und Berlin. Sein künstlerisches Wirken
erstreckte sich vom Dadaismus, ich nenne hier auch den oft verkannten Hugo
Ball, hin zu Expressionismus und vor allem im Surrealismus. Er war in der
damaligen Kulturszene gut integriert, eine Freundschaft pflegte er mit den
Manns. Im Oeuvre finden sich viele Gedichte, Erzählungen, Romane,
Theaterstücke und Briefe. Er beschäftigte sich mit Liebe, Heimatlosigkeit,
Mystizismus und dem Tod. Goll war mit der Lyrikerin Claire Goll
verheiratet, die Ehe musste Trennungsphasen und Affären überstehen. 1939
flüchtete er mit seiner Frau ins Exil nach New York, nach dem Krieg kehrten
sie zurück, Goll starb jedoch schon 1950 in Paris an Leukämie. Überschattet
wurde sein Vermächtnis durch Plagiatsvorwürfe seiner Witwe gegenüber Paul
Celan. 1951 erschienen postum die Traumkrautgedichte, welche hier zitiert
wurden. Seine Stilistik ist eigenwillig und experimentell. Kann es zum
eigenen Schreiben inspirieren?
Die Wortschatz-Autor*innen versuchten mit ihren Texten die Aktualität
seines Werkes begreiflich zu machen, gesellschaftliche Entwicklungen,
literarische Strömungen bis in die Gegenwart aufzuzeigen. Dabei ist der
Zugang schwierig. Z. B. sagte Ursula Dörler, dass sie zunächst im Roman
„Der Mitropäer“, eine groteske, satirische Überzeichnung der Zeit zwischen
den Weltkriegen, nur einige Seiten weit kam, dann unterbrach sie und dachte
nach. Man muss die Texte rauchen, schlafen, mit ihnen kämpfen, die innere
Welt des Zwischenmenschlichen nachempfinden. Mascha Kaléko ist da
wesentlich eingängiger. Darum auch die Schwierigkeiten mit der Popularität.
Goll ist heutzutage, außer für eingefleischte Literaten, nahezu unbekannt.
Maria Theresia Gauß stellte den Roman „Sodom (und) Berlin” vor, Themen sind
Desorientierung und Sinnhaftigkeit des Lebens, Prostitution, Gier, Orgien
in den wilden Zwanzigern, Abgründe. Aus seiner zeitkritischen Perspektive
heraus war er nicht gut auf die Befindlichkeiten der „Deutschen“ zu
sprechen.
Helmund Wiese las Gedichte, analog auch seine eigenen, teils in
Französisch, düstere, sperrige wie liebestrunkene.
Katrin Sommer beschäftigte sich mit Briefen. Und klärte über den Titel
„Meiner Seele Töne“ auf, ein gleichnamiges Buch mit Briefen zwischen Yvan
Goll und Claire Goll.
Im stetigen Wechsel mit den Vorträgen boten das Ehepaar Scheuer (Piano,
Gesang, Klarinette) und Liana Mogilevskaja (Violine) Werke von Satie,
Chansons, Lieder aus den Dreißigern sowie Bearbeitungen von Brecht, Debussy
u.a. Besonders viel Applaus gab es für „Ein Lied geht um die Welt“ (bekannt
durch die Comedian Harmonists).
Mit 50 Gästen war der Raum gut gefüllt, die Veranstalter mit dem Zuspruch
sichtlich zufrieden.