Seit einigen Jahren findet im nordpfälzischem Reipoltskirchen die Aktion „Kunst im Grünen” statt. Im Rahmen der Veranstaltung „Neue Kunst in der Alten Welt” am 17. August stellten Bettine Wagner-Friedewald und Peter Herzer aus Kaiserslautern ihre Werke vor. Zudem wurde an die 2015 verstorbene Schriftstellerin Marliese Fuhrmann erinnert, die nach aufwändigen Recherchen das Buch „Kuckucksruf und Nachtigall” über das Pfälzer Wandermusikantentum geschrieben hatte. Das besondere, blühende Gewerbe bildete sich aus wirtschaftlicher Not um 1830 und verebbte aufgrund der schwerwiegenden Folgen des 1. Weltkriegs. Einflüsse stammten aus Böhmen, dem Zweibrücker Hof und auch von der Mannheimer Schule. Letztes studierte die anwesende Autorin und Musiklehrerin Maria Wagner-Herzer, welche ihre jahrzehntelangen Erfahrungen aus dem Kuseler Musikantenland erläuterte.
Wandermusikanten brachten Wohlstand in das von Kriegen, Dürren und Hungersnöten erschütterte Westrich. Besonders hervorzuheben ist Georg Drumm mit seiner Komposition „Hail America“, was u.a. bei der Amtseinführung von Joe Biden zu hören war.
Peter Herzer vollzog eine Zeitreise durch die Jahrhunderte, vom ersten mutmaßlichen Wandermusikanten beim Remigiusberg bis zu üppigen, rauschenden Dorffesten in Eßweiler Mitte des 19 Jh. und zum Vergleich Mitte des 20 Jh. Ein Gedicht führt im Zeitraffer den Protagonisten in die Zukunft im Zeichen des Klimawandels. Doch bevor er verknöchert und in Sepia verstaubt, holt ihn die Musik zurück ins Leben.
Die Lyrikerin Bettine Wagner-Friedewald überzeugte mit ihren drei Gedichten und thematisierte psychische Nöte, Krisen und die Wanderschaft der Musikanten mit besonderem Blick auf die hart arbeitenden Frauen. In einem Musikantenrap mit Refrain band sie mit Geschick die gut 20 Gäste ein. Wagner-Friedewald veröffentlichte bisher drei Gedichtbände.
Judith Boy aus Körborn begeisterte mit einer besonderen Tanz-Performance, die sie direkt vor der Lesung auf der Burg durchführte. Sie verwendet oft Materialen, die sie in der Landschaft oder am Strand vorfindet. Im Vorfeld gab die Künstlerin einen kreativen Workshop zum Thema Musik und Natur in der lokalen Malschule.
Für die musikalische Umrahmung sorgte Gabriel Herzer, der oftmals Gast bei den Neuen Wandermusikanten unter Leitung von Roland Vanecek ist.
Das Wetter hielt sich trotz der angesagten Schauer und Gewitter. Wegen der Hitze und Sonneneinstrahlung wurde die Veranstaltung kurzerhand in den Schatten der Burgmauer auf die Wiese verlegt. In Sichtweite befand sich das XXXXL-Gemälde einer Tuba von Judith Boy auf der ansteigenden Wiese, welche das diesjährige Thema Wandermusikanten verdeutlicht. 2023 war es der Schinderhannes. Die Tuba ist das Musikinstrument des Jahres.
Im großen Halbkreis vor der Burg befindet sich ein bedeutender Skulpturenweg (Teilstück der Europäischen Skulpturenstraße des Friedens), welcher bewandert werden kann.
TIPP: Im Landkreis Kusel existieren zwei Wandermusikanten-Museen, in Mackenbach und auf der Burg Lichtenberg.
Buch: Marliese Fuhrmann: Kuckucksruf und Nachtigall. Gollenstein, Blieskastel 2000.