Lilo Beil war nun schon zum 15. Mal auf der Klei­nen Buch­mes­se im Neckar­tal.
Fast immer konn­te sie einen neu­en Con­te-Kri­mi vor­stel­len. Ulrich Well­hö­fer
mach­te die Anmo­de­ra­ti­on und begrüß­te die gut 25 Gäs­te. Beil las zwei
Geschich­ten aus der Antho­lo­gie „Kind­heits­träu­me“, der Jah­res­ga­be 2023 des
Lite­ra­ri­schen Ver­eins der Pfalz.

Die Erzäh­lung „Mut­pro­be“ han­delt im Jahr 1959. Ein fre­cher Onkel aus
Mann­heim, auch mit der­ben sexu­el­len Anspie­lun­gen, besucht sei­ne Ver­wand­ten,
eine pro­tes­tan­ti­sche Pfar­rers­fa­mi­lie in der Süd­pfalz. Die bei­den Töch­ter, 9
und 12, sind noch ganz in ihren Phantasie‑, Buch- und Spiel­wel­ten
ver­haf­tet, die Tech­nik bleibt außen vor, auch fehlt es an Auf­klä­rung.
Sün­den, Stra­fen und Gebo­te wer­den täg­lich vor­ge­be­tet, was bei­de aber nicht
abhält, eine Mut­pro­be zu ris­kie­ren, z. B. mit­ten in der Nacht für eine
Zeit­lang auf dem Fried­hof zu ste­hen. Die älte­re Toch­ter Mar­ga­re­te wird
ins­ge­heim Zeu­ge, wie sich ein Lie­bes­paar wie­der­holt dort trifft, doch die
pla­nen Schlim­mes. Die Gäs­te emp­fan­den die Geschich­te eher hei­ter.

In „Däm­mer­stünd­chen“, ange­sie­delt im Jahr 1958, ist wie­der­um Mar­ga­re­te die
Prot­ago­nis­tin. Sie liegt krank im Bett, was ins­be­son­de­re wegen des
lie­be­vol­len Umsor­gens und der Schul­frei­heit, sie hasst Mathe­ma­tik, in der
zwei­ten Hälf­te ihrer Bett­lä­ge­rig­keit wohl­tu­en­den Cha­rak­ter annimmt. Eines
Tages belauscht sie ein Gespräch ihrer Eltern im Nach­bar­zim­mer. Sie
spre­chen über die Gräu­el­ta­ten der Nazis. Aber sie selbst hät­ten doch so
vie­les nicht gewusst. Schwei­gen und Ver­drän­gen aus Angst wir­ken belas­tend.
Die Mut­ter erzählt mit Schre­cken, dass Müt­tern die Kin­der von der Brust
weg­ge­nom­men und die­se vor ihren Augen erschos­sen wur­den. Von da an,
beschließt Mar­ga­re­te, war ihre Kind­heit zu Ende.

Lilo Beil gibt an, dass ihre Geschich­ten auto­fik­tio­nal sind, Phan­ta­sie und
Rea­li­tät ver­mi­schen sich. Tex­te wie „Däm­mer­stünd­chen“ mögen als
Schlüs­sel­er­leb­nis eine Erklä­rung sein, war­um in ihren Roma­nen die Nazi­zeit
einen Schwer­punkt bil­det. Beil erwähnt die Geschich­te von Ursu­la Michel,
eines jüdi­schen Mäd­chen, wel­ches 1939 mit dem letz­ten Kin­der­trans­port nach
Eng­land kam. Sie pflegt einen frucht­ba­ren Kon­takt mit ihrer eng­li­schen
Toch­ter Judith Rho­des. Dar­über berich­te­te der SWR.

Die Autorin erin­ner­te an die Beer­di­gung von Max Lie­ber­mann 1935. Es war
sehr mutig, ihm Refe­renz und Respekt zu erwei­sen. Im Ver­lauf der Lesung
sprach sie aber auch aktu­el­le The­men wie den Tod von Nawal­ny und Ver­bre­chen
in Ver­ant­wor­tung von Netan­ja­hu an.

Vom obe­ren Raum her hör­te man immer wie­der lau­te Schrit­te, Möbel wur­den
offen­bar ver­scho­ben. Die Atmo­sphä­re war jedoch im his­to­ri­schen Bür­ger­haus
„Zum Schwa­nen“ gedie­gen. Man sah vie­le zufrie­de­ne Gesich­ter.