Paul Trem­mel (mit Mikro), mit­tig sit­zend Gise­la Gall und Rena­te Demuth (Foto: Peter Her­zer)

Die „Päl­zer Poe­sie” ist neben dem lite­ra­ri­schen Früh­shop­pen mit Par­ty­stim­mung die zwei­te gro­ße Mund­art­ver­an­stal­tung auf dem Dürk­hei­mer Wurst­markt. Im Hamel-Zelt konn­te der Orga­ni­sa­tor und Mode­ra­tor Rein­hard Brenz­in­ger vor etwa 400 Gäs­ten renom­mier­te Dich­ter und Dich­te­rin­nen begrü­ßen.

Dabei ver­such­te der Ver­an­stal­ter allen Ansprü­chen und Erwar­tun­gen gerecht zu wer­den, der Spa­gat gelang über drei Stun­den, Lan­ge­wei­le kam ange­sichts der übli­chen Fluk­tua­ti­on nicht auf. Der Pfäl­zer wur­de als tole­rant und welt­of­fen prä­sen­tiert: Am Tisch hat jeder Platz, egal woher. Die Mund­art­ge­dich­te tru­gen gene­rell weder Reben- noch Fei­gen­blät­ter und wie­sen oft­mals eine gelun­ge­ne Poin­te auf, was jeweils mit viel Applaus belohnt wur­de. Künst­ler und Gäs­te ver­sam­mel­ten sich, um die Lie­be zum Pfäl­zer Land und Brauch­tum zu fei­ern, und lie­fen nicht Gefahr, all zu sehr in Kli­schees abzu­drif­ten.

Paul Trem­mel, mit 94 Jah­ren ein wah­res Urge­stein, mach­te den Anfang. Mit einem Gedicht trans­fe­rier­te er sei­ne Ur-Groß­mutter in die Gegen­wart, die selbst­ver­ständ­lich an Essen und moder­ne Lebens­ge­wohn­hei­ten aller­lei aus­zu­set­zen hat. Und wo ist bit­te der Tan­te Emma Laden geblie­ben?

Her­mann Josef Set­tel­mey­er schil­der­te lau­nig zuerst von einem Dackel, dann von einem Pfäl­zer, der Schwie­rig­kei­ten bei der Auf­nah­me in den Him­mel bekommt, da denkt man unwill­kür­lich an die „Pfäl­zers Him­mel- und Höl­len­fahrt” mit sei­ner Pfäl­zer Eck (Paul Münch). Und mach­te sei­ne Abnei­gung gegen­über Wir­sing emo­tio­nal deut­lich, was eine gute Über­lei­tung zu Woi & Worscht & Schorsch dar­stell­te. Das Duo Heinz Ill­ner und Han­nes Hin­del sorg­te mit Kurt-Dehn-Lie­der für Stim­mung, wenig spä­ter lud das Hoff­mann-Ham­mer-Trio zum Klat­schen und Schun­keln ein.


Dazwi­schen durch­aus pas­send Hans Jür­gen Schwei­zer mit sei­nem Gedicht über die Elwe­trit­sche, deren Daseins­be­rech­ti­gung ohne Zwei­fel fest steht. Es folg­te ein besinn­li­ches Stück über den Herbst. Schwei­zer ver­fügt über das sel­ten gewor­de­ne Talent, alle Tex­te aus­wen­dig vor­tra­gen zu kön­nen.

Gise­la Gall beschäf­tig­te sich in ihren Gedich­ten mit Per­so­nen unter­schied­li­chen Tem­pe­ra­ments, die Wet­ter-Pro­ble­me zu meis­tern haben, sowie um schwin­den­de Haa­re, am Schluss sind’s nur noch drei. Gall ist eine bedeu­ten­de Insti­tu­ti­on in der Vor­der­pfalz, sie gewann zwei­mal den Bocken­hei­mer Dich­ter­wett­streit.


Aus Kai­sers­lau­tern brach­te Rena­te Demuth erns­te Lyrik mit. Für ihr Gedicht „Gesin­nungs­wan­nel” erhielt sie viel Lob, dar­in fürch­tet sie um die Demo­kra­tie und sieht Grün­de in Moral­vor­stel­lun­gen wie, dass man schon als Kind „Folch­sam sin” muss, bis man eben als Erwach­se­ner und die Gesell­schaft über­haupt Kon­se­quen­zen ver­spürt:

es Sel­wer­deng­ge aus­ge­merzt
es Land in Kada­s­trof ges­terzt

Da gilt es ACHTSAM SIN
kää Schangs demm Ras­se­wahn
der Iwwer­heb­lich­käät
die Aue uff met wachem Geischt
gut infor­meert unn unsche­neert
uff Mää­nungs­frei­häät poche
unn uff­bas­se e Läwe lang
vemei­de de gefähr­lich Gang
wie sel­le­mols zum Unner­gang
aus Feh­ler ler­ne bringt Gewinn
unn des­wää wolln mer
ACHTSAM SIN


Hoch­wahr­schein­lich ver­folg­te Demuth die Tumul­te bei der kon­sti­tu­ie­ren­den Land­tags­sit­zung in Erfurt mit Bestür­zung.

Im Vor­feld der Wah­len in den USA wet­ter­te der Lie­der­ma­cher Uli Val­ni­on gegen Donald Trump, des­sen Groß­va­ter aus Kall­stadt stamm­te. Val­ni­on wur­de im März für sein Enga­ge­ment mit der Ver­dienst­me­dail­le des Lan­des aus­ge­zeich­net.


Den Schluss­punkt setz­te elo­quent Dr. Hans-Peter Schwö­bel aus der Mann­hei­mer Ecke, also ein wasch­ech­ter Kur­pfäl­zer mit vie­ler­lei amü­san­ten Geschich­ten um Ursprün­ge von Wör­tern und Sprü­chen.


Am Ende ver­sam­mel­te Tho­mas Merz von den „Anony­men Gid­da­risch­de“ noch­mals alle Dich­ter und Musi­ker auf der Büh­ne, um mit ihnen und dem Publi­kum das Palz­lied zu sin­gen, ein Lob auf deren unver­wech­sel­ba­re Men­ta­li­tät.