Die „Pälzer Poesie” ist neben dem literarischen Frühshoppen mit Partystimmung die zweite große Mundartveranstaltung auf dem Dürkheimer Wurstmarkt. Im Hamel-Zelt konnte der Organisator und Moderator Reinhard Brenzinger vor etwa 400 Gästen renommierte Dichter und Dichterinnen begrüßen.
Dabei versuchte der Veranstalter allen Ansprüchen und Erwartungen gerecht zu werden, der Spagat gelang über drei Stunden, Langeweile kam angesichts der üblichen Fluktuation nicht auf. Der Pfälzer wurde als tolerant und weltoffen präsentiert: Am Tisch hat jeder Platz, egal woher. Die Mundartgedichte trugen generell weder Reben- noch Feigenblätter und wiesen oftmals eine gelungene Pointe auf, was jeweils mit viel Applaus belohnt wurde. Künstler und Gäste versammelten sich, um die Liebe zum Pfälzer Land und Brauchtum zu feiern, und liefen nicht Gefahr, all zu sehr in Klischees abzudriften.
Paul Tremmel, mit 94 Jahren ein wahres Urgestein, machte den Anfang. Mit einem Gedicht transferierte er seine Ur-Großmutter in die Gegenwart, die selbstverständlich an Essen und moderne Lebensgewohnheiten allerlei auszusetzen hat. Und wo ist bitte der Tante Emma Laden geblieben?
Hermann Josef Settelmeyer schilderte launig zuerst von einem Dackel, dann von einem Pfälzer, der Schwierigkeiten bei der Aufnahme in den Himmel bekommt, da denkt man unwillkürlich an die „Pfälzers Himmel- und Höllenfahrt” mit seiner Pfälzer Eck (Paul Münch). Und machte seine Abneigung gegenüber Wirsing emotional deutlich, was eine gute Überleitung zu Woi & Worscht & Schorsch darstellte. Das Duo Heinz Illner und Hannes Hindel sorgte mit Kurt-Dehn-Lieder für Stimmung, wenig später lud das Hoffmann-Hammer-Trio zum Klatschen und Schunkeln ein.
Dazwischen durchaus passend Hans Jürgen Schweizer mit seinem Gedicht über die Elwetritsche, deren Daseinsberechtigung ohne Zweifel fest steht. Es folgte ein besinnliches Stück über den Herbst. Schweizer verfügt über das selten gewordene Talent, alle Texte auswendig vortragen zu können.
Gisela Gall beschäftigte sich in ihren Gedichten mit Personen unterschiedlichen Temperaments, die Wetter-Probleme zu meistern haben, sowie um schwindende Haare, am Schluss sind’s nur noch drei. Gall ist eine bedeutende Institution in der Vorderpfalz, sie gewann zweimal den Bockenheimer Dichterwettstreit.
Aus Kaiserslautern brachte Renate Demuth ernste Lyrik mit. Für ihr Gedicht „Gesinnungswannel” erhielt sie viel Lob, darin fürchtet sie um die Demokratie und sieht Gründe in Moralvorstellungen wie, dass man schon als Kind „Folchsam sin” muss, bis man eben als Erwachsener und die Gesellschaft überhaupt Konsequenzen verspürt:
…
es Selwerdengge ausgemerzt
es Land in Kadastrof gesterzt
…
Da gilt es ACHTSAM SIN
kää Schangs demm Rassewahn
der Iwwerheblichkäät
die Aue uff met wachem Geischt
gut informeert unn unscheneert
uff Määnungsfreihäät poche
unn uffbasse e Läwe lang
vemeide de gefährlich Gang
wie sellemols zum Unnergang
aus Fehler lerne bringt Gewinn
unn deswää wolln mer
ACHTSAM SIN
Hochwahrscheinlich verfolgte Demuth die Tumulte bei der konstituierenden Landtagssitzung in Erfurt mit Bestürzung.
Im Vorfeld der Wahlen in den USA wetterte der Liedermacher Uli Valnion gegen Donald Trump, dessen Großvater aus Kallstadt stammte. Valnion wurde im März für sein Engagement mit der Verdienstmedaille des Landes ausgezeichnet.
Den Schlusspunkt setzte eloquent Dr. Hans-Peter Schwöbel aus der Mannheimer Ecke, also ein waschechter Kurpfälzer mit vielerlei amüsanten Geschichten um Ursprünge von Wörtern und Sprüchen.
Am Ende versammelte Thomas Merz von den „Anonymen Giddarischde“ nochmals alle Dichter und Musiker auf der Bühne, um mit ihnen und dem Publikum das Palzlied zu singen, ein Lob auf deren unverwechselbare Mentalität.