In diesem Teil der Webseite veröffentlichen wir einige der Texte, die für die regelmäßig organisierten internen Wettbewerbe oder Publikationen entstanden sind. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Texten in Pfälzer Mundart.
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Knut Busch, Kriegsfeld
(ex aeque): „Restglut„
Siegertext des Wettbewerbs Lyrik
im November 2024
Restglut
Der Horizont rückt täglich näher
ich, der ich forsch und ungeduldig war
zähl Zeit nicht mehr als Monat, nicht als Jahr
die Welt dreht schnell und ich mich zäher
im Kopf wohnt noch der alte Späher
wohnt etwas Neugier noch, die ich bewahr
ein letzter Funke des Rebellen gar
zu schwach für einen Weltumdreher
die Neugier gilt nur noch dem Horizont
und dem, was für mich dahinter wohnt
auf meinem Weg war Liebe und war Wut
war ich denn immer reich belohnt?
Ja und dieses Ja sei laut betont
bei diesem Ja spür ich sie noch, die Glut
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Peter Herzer, Kaiserslautern
(ex aeque): „Der Bréal-Marathon”
Siegertext des Wettbewerbs Lyrik
im November 2024
Der Bréal-Marathon
laufe frierend in den müden Morgen
der Nebel schlingend wie ein wildes Tier
die Rippen knacken stöhnend unter mir
ja, verflucht sind meine üblen Sorgen
Muskeln takten fett im Pfad der Träume
graue Schatten weichen eilig zurück
dort am alten Fort find ich etwas Glück
sonnig warm strahlen die alten Bäume
ich entschraube rostige Gedanken
haste immer schneller, fühle Sehnsucht
bunte Blätter fallen im Rausch herab
Menschen schreien, Gedanken umranken
meinen schweißnassen Körper, spür die Wucht
des Ziels am klingenden Marktplatz der Stadt
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Renate Demuth, Kaiserslautern:
„Die Fremde„
Siegertext des Wettbewerbs Prosa
im Oktober 2024
Die Fremde
Sie wurde Kattche genannt im Dorf. Wer hatte ihr diesen Namen verpasst? Ob es die Kurzform ihres richtigen Namens war? Wen interessierte es schon. Nichts wurde hinterfragt damals. Eines Tages, niemand wusste mehr genau zu sagen, wann, aber es war zu der Zeit, als nach dem verlorenen Krieg die Flüchtlingsströme nach Westen drängten, hatte sie als Fremde schwer definierbaren mittleren Alters auf dem landwirtschaftlichen Gehöft am Ortsrand Arbeit und Unterschlupf gefunden. Eine bescheidene Kammer, ein Waschplatz, eine Kochmöglichkeit – mehr beanspruchte sie nicht, war dankbar, dass sie bleiben durfte.
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Margit Kraus, Waldsee:
„Innerhalb der Textur„
Siegertext des Wettbewerbs Lyrik
im September 2024
Innerhalb der Textur
Innerhalb der Textur
fächert sich die Vegetation
in neue Variationen auf
Im Hochzeitsflug noch rennen Tiere
Gegen die Hagebutten-Laterne
In hohen Höhen ziehen sich die Straßen
Es hallt eine Tür aus dem Dunkel
Man kann steife Kälte dumpfe Lügen
an Daumen und Zeigefinger ablesen
die die Teetasse halten
In meine Hand
schmiegt sich stämmig meine Feder
Mit ihr werde ich graben nach
erfrischend neuen Symbolen auch wenn bisweilen
das Leben wie ein Unfall angesehen wird
(Irgendwann kommt der Tod der Allesfresser
Mensch oder Wurm er weiß es nicht besser
Und wenn du denkst dass dir Unrecht geschieht
Er sieht nicht den geringsten Unterschied)
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Sarah Klein, Landau
(ex aeque): „Das Geschenk„
Siegertext des Wettbewerbs Prosa
im August 2024
Das Geschenk
Anna fühlt sich heute nicht gut. Ihr Mittagessen mit Christina würde sie gerne absagen. Denn heute kann sie sich nicht verstellen. So tun, als wäre ihr eigenes selbst gar nicht wichtig. Als wäre es gar nicht da. Als wäre der Sinn des Gespräches einzig und allein, ihre Freundin glücklich zu machen.
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Knut Busch, Kriegsfeld
(ex aeque): „Weiße Schokolade„
Siegertext des Wettbewerbs Prosa
im August 2024
Weiße Schokolade
Nur wenige Fahrgäste waren ausgestiegen. Es war Samstag morgen und ein frischer Oktoberwind wehte über die Gleise. Ich entdeckte dich am Ende des Bahnsteiges. Als du mich sahst, drehtest du dich in meine Richtung und kamst langsam auf mich zu, fast so, als würde es dir große Mühe bereiten. Du schautest ernst, als wir uns umarmten.
„Ich möchte im Bistro einen Kaffee trinken” sagtest du leise. Ich dachte an unsere letzten Telefongespräche und fragte nicht. Schweigend gingen wir nebeneinander und ich merkte, ie du bemüht warst, Abstand zu halten.
Der Milchkaffee war längst kalt, du hattest sehr oft in deinem gerührt, ohne mich anzusehen.
„Wir könnten doch Freunde bleiben“ meintest du, und dir gelang sogar ein Lächeln.
Ich nickte langsam. „Ja“, antwortete ich beklommen, „das könnten wir“. Dein Blick wanderte zur Wanduhr und ich winkte der Bedienung, um zu zahlen.
Vor dem Bistro ließ ich mich von dir umarmen. „Pass auf dich auf“, sagtest du schnell. „Viel Glück“ rief ich dir nach, aber du drehtest dich nicht mehr um.
Der Wind hatte nachgelassen und die Herbstsonne lag auf dem Bahnsteig. Irgendwann würde ein Zug einfahren und ich würde einsteigen und irgendwann aussteigen, in meine Wohnung gehen und anfangen, mich zu erinnern. Ich setzte mich auf eine Bank und aß ein Stück von der Schokolade, die ich am Morgen für dich gekauft hatte. Du liebtest weiße Schokolade und hattest mir einmal gesagt, dass sie Glücksgefühle bringt.
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Renate Demuth, Kaiserslautern:
„Gedangge iwwers Brauche„
Siegertext des Wettbewerbs Lyrik
im Juli 2024
Gedangge iwwers Brauche
So e fremdlännischi Sippschaft -
hergeloff wer wääß woher!
Nix gelernt wie’s Hand-uffhalle.
Spielen net met demm schwarz Lausert,
Kinner gebts genuuch bei uns!
Denne hätt ma net gebraucht.
Lehrer, Schieler dun emm daure
wää demm Bremsklotz in de Klass.
Nix gerafft, alsfort am Frooe.
Fremde basse net doher.
Kenner will was m’emm se dun hann.
Denne hätt ma net gebraucht.
Arich gäär däät er was schaffe.
Lehrstell hat’s fa ihn net gebb.
Danze meecht er, Freinde finne;
jeder macht vor ihm die Kehr.
Eenich is ma sich wie selde.
Denne hätt ma net gebraucht.
Schneeschmelz jaat die Wassermasse
sintflutardich dorch es Dorf.
’s klejn Marieche vum Borjmääschder
ringeriss met wilder Wucht.
Leit am Kreische, Plärre, Heile.
Wer war wohl de Läwensredder?
Hätt ma denne net gehatt…
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Tom Kraus, Freckenfeld:
”Ist der Daumen ein Finger?”
Siegertext des Wettbewerbs Prosa
im Juni 2024
Vieles spricht jedenfalls dagegen. Als gesichert gilt bislang lediglich, dass Finger und Daumen in nicht unerheblichem Maße zur Generationengerechtigkeit beitragen. Aber wer, außer vielleicht ein paar Unbelehrbaren, bestritte im Ernst, dass wir Menschen fünf Finger haben, also zehn. Im Gegensatz zu Maulwürfen. Die haben sechs, also zwölf. Wobei das so auch nicht ganz richtig ist. Maulwürfe haben je vier Finger und zwei Daumen. Bedeutet dieses hier aus den Naturfugen geratene Fünf-Finger-Schema bei Landwirbeltieren nun, dass der Maulwurf weniger Finger hat als der Mensch oder mehr Daumen als wir? …
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Knut Busch, Kriegsfeld: ”Nachtgeschenk”
Siegertext des Wettbewerbs Lyrik
im Mai 2024
Nachtgeschenk
In jener Zeit
in der ich jung und voller Fragen
und Neugier auf das Morgen
hat Nacht dein Bild zu mir getragen
und vor dem Tag verborgen
In jener Zeit
in der ich hastig Leben aufgesogen
und liebte voller Gier
hat Tag dein Bild manch Andren angezogen
doch du warst tief in mir
In jener Zeit
in der mir Nacht den Traum verwehrte
und ich leer und ausgebrannt
sucht ich nach dir, nach deiner Fährte
und fand nur leeren Sand
In dieser Zeit
weiß ich Distanz zur Lebensmitte
und Blatt für Blatt verlässt den Baum
Nacht, gewähre mir die Bitte
schenk mir noch einmal meinen Traum
In andrer Zeit
wenn Gras sich über mir im Winde wiegt
am Fuße eines Regenbogen
ein Lächeln sanft auf deinen Zügen liegt
weil ich dich nie betrogen
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Ulrich Bunjes, Speyer: ”Noahs Frau”
Siegertext des Wettbewerbs Prosa
im April 2024
Mit seinen Nachbarn muss man irgendwie auskommen, aber manchmal sind sie ein großes Problem. Mein nächster Hausbewohner heißt Norbert und raubt mir nicht selten den letzten Nerv.
Neulich klingelte er und erklärte mir auf dem kalten Hausflur ohne weitere Einleitung, mit vor Aufregung glänzenden Augen: „Ist das nicht bemerkenswert? Dass man so viel von dem Archebauer Noah weiß, aber nur so wenig von seiner Frau? Hast du dir das schon einmal überlegt?“ War der Mann übergeschnappt?
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Heinz Ludwig Wüst, Gleisweiler
(ex aeque): ”Schtinkesocke”
Siegertext des Wettbewerbs Lyrik
im März 2024
An de Wäschelein im Gaade,
dricklen paar Schtrimp mit´m Lurexfade.
Vun weitem sieht mer ach schunn gut
den Fade, der wu glitzre duut.
Denewedraa sin a´geleint
ganz farwefroh, so wie mer scheint
paar Schtrimp ganz uhne Glitzerfaade,
die uff es Druckewerre wate.
Die Lurexfadeschtrimp, die prahle,
sie wären fascht net zu bezahle
unn außerdem – so wie mer heert
sie wären doch viel määner Wert,
wie die wu jo blooß farwich sinn
unn hängen halt so zwischedrinn.
So heert mer laut, des glabt mer numme
ä Antwort vun ihrm Nochber kumme:
Halt jetzt doi Maul, heer uff zu blinke
du duscht verdammt nooch Keesfuß stinke.
Was nitzt die Schääheit uf de Welt
em Schtinkesocke fer viel Geld?
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Ursula Dörler, Stelzenberg (ex aequo): ”Schmerz”
Siegertext des Wettbewerbs Lyrik
im März 2024
Schmerz bohrt
Schmerz sticht
Schmerz durchstößt
meine Seele
Schmerz dämpft
Schmerz stiehlt
Schmerz entfernt
meine
Gedanken
Schmerz füllt
Schmerz leert
Schmerz entfremdet
den Raum meines
Ichs
Unerreichbar bist du im Schmerz
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Knut Busch, Kriegsfeld: ”Sternfolger”
Siegertext des Wettbewerbs Prosa
im Februar 2024
Als Kind hattest du ihn eines Tages entdeckt und sofort gewusst, dass es dein Stern war.
Er wies dir von da an den Weg und leuchtete in deine Seele. So hell, dass die Menschen, welche dir begegneten, dieses Leuchten in deinen Augen erkannten und deine Nähe suchten um seine Kraft zu spüren.
Wenn der Himmel verhangen war, wusstest du, dass über den Wolken dein Stern auf dich wartete und dass es immer rechtzeitig aufklaren würde, damit er dir den richtigen Weg zeigen konnte.
Aber als aus dem Knaben ein junger Mann geworden war, da glaubtest du, die Richtung nun selbst zu kennen und fingst gar an zu zweifeln, ob er dir gut will. So fingst du an, den Horizont zu ignorieren und maltest deine eigenen Bilder und Ziele an den Himmel.
Du folgtest den Wegen, die nicht über Berge und auch nicht durch die Täler führten, nahmst gierig, was an den Rändern auf dich wartete und dein Blick reichte nur noch bis zum nächsten Moment.
In einer klaren Nacht bist du aus deinem unruhigen Schlaf hochgeschreckt und wusstest sofort, dass etwas Unglaubliches geschehen war. Du suchtest den Himmel verzweifelt ab, immer wieder. Aber dein Stern war nicht mehr da oben und du glaubtest, ihn für immer verloren zu haben.
Trotzig hast du deine alten Wege fortgesetzt, hast die Ziele so häufig gewechselt, dass du am selben Tag von Süd nach Nord und wieder zurück marschierst bist. Die Arme, in denen du am Abend eingeschlafen bist, waren dir am nächsten Morgen schon fremd und um dich herum wucherte die Einsamkeit. In schlaflosen Nächten schautest du zum Himmel und die
Sehnsucht brannte sich in deine Seele. Dein Stern jedoch, schien für immer verschwunden.
Dein Haar begann grau zu werden, deine Schritte wurden kürzer und zögernd. Aus deinem Weg war ein ausgetretener Pfad geworden, da begegnete dir an einem sonnigen Morgen ein Kind.
Es hüpfte auf dich zu und summte eine fröhliche Melodie.
„Was macht dich so fröhlich?” fragtest du das Kind.
„Ich habe heute Nacht meinen Stern entdeckt”, antwortete es glücklich.
„Dann pass gut auf, dass er nicht eines Tages verschwunden ist.”
„Du bist aber dumm!” schalt das Kind, „Sterne können doch nicht verschwinden.
Die sind immer da!”
„Meiner ist aber verschwunden”, sagtest du traurig.
Das Kind legte seine Hand auf deine und lächelte. Seine Augen waren voller Licht.
„Wenn die Nacht kommt, lass uns zusammen aufbrechen. Und glaube mir, wir werden
deinen Stern wiederfinden.”
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Bettine Wagner-Friedewald,
Kaiserslautern
(ex aequo): ”zum neuen jahr”
Siegertext des Wettbewerbs Lyrik
im Januar 2024
wenn die raunächte
durchträumt sind
und das jahr sich öffnet
möge dir mut ins herz fallen
auf dass es weiter werde
wie die tage grösser
bis zum sommer
möge bisweilen
sich dir ein regenbogen zeigen
am horizont
auf dass du die zuversicht behältst
in dunklen stunden
möge an manchen tagen
das bittere wasser der mühsal
dir zu wein werden
so dass du die hoffnung nicht verlierst
mögen am ende des jahres
die alten worte in dir aufsteigen
:
«und siehe es war gut»
Knut Busch, Kriegsfeld
(ex aequo): ”es roode Kleid”
Siegertext des Wettbewerbs Lyrik
im Januar 2024
uffem Schulhof
scheu geguggd
mimme roode Kopp
doi Hand beriehrd,
zurigg gezuggd
in de Donzschul
ahngefassd, hämgebrochd
de eerschde Kuss gschpierd
ibberall hots Herz gekloppt
unn gewisst
irchendwann
stehschde dann vor mer
in me roode Kleid
die Schul vorbei
de Weech getrennt
doch des Bild
feschd ins Herz gebrennt
in de Nacht
hann ich mer weh gemachd
annere beriehrd
unn dich debei gschpierd
unn gewisst
irchendwann
stehschde dann vor mer
in me roode Kleid
moi halbi Zeid
strack abgehoggd
inn fremde Ärm geloggd
daab uffgewachd
was vorgemachd –
Herbschd im Hern
en wehe Blick
gehd weit zurick
doch ich weeß
irchendwann
stehschde dann vor mer
in me roode Kleid
uffem Schulhof
steh ich nochemol
mach die Aache zu unn hol
mir des Bild vunn dir
jetzt kumm –
pischpert´s hinner mir
jetzt iss unser Zeid
unn ich dreh mich langsam um
unn seh des roode Kleid
Knut Busch, Kriegsfeld (ex aeqou):
”Indian summer”
Siegertext des Wettbewerbs im Dezember 2023
”Am Ende unseres Sommers hast Du Imagine gesungen.
Ich saß vor der Gartenbank im Gras, habe staunend zugehört und war bereit, mich Strophe für Strophe in Dich zu verlieben.
Du warst auf die Gitarre konzentriert und dabei nahm Dein Gesicht diesen wundervollen, aristokratischen Zug an, während der Sommerwind mit Deinem Haar spielte…”
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Andreas Fillibeck, Kaiserslautern (ex aequo):
”Trolleybus”
Siegertext des Wettbewerbs im Dezember 2023
”Gelb das Scheinwerferlicht über dem frisch gefallenen Pulverschnee. Feinste Kristalle stieben auf und schweben glitzernd und zauberisch dem dahinrollenden Bus. Flirren über die steile, geteilte Windschutzscheibe und verschwinden im Nachthimmel. Entlang der beiden Kontaktstangen zu den elektrischen Oberleitungen, die wie die langen Fühler eines Insekts in die glitzernde Nacht ragen. Alles rund an diesem Bus. Die beige Karosserie, die verchromten Stoßstangen, die großen Lampen wie Stielaugen, die dunkelroten, kleinen Rücklichter. Gebannt steht der Junge auf dem Trottoir, die Schiebermütze des Großvaters auf dem Kopf. Der feine Schnee fährt ihm ins Gesicht, er kneift die Augen zu…”
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Birgit Heid, Landau (ex aequo):
”Erinnerung einer alten Dame”
Siegertext des Wettbewerbs im Dezember 2023
”Guten Tag, ich möchte mich kurz vorstellen. Ich bin eine alte, aber noch immer ansehnliche Dame und ich heißte Strepsi, man nennt mich auch Stylopidia. Ein ungewöhnlicher Name, ich weiß. Auch meine Lebensgeschichte ist nicht weniger außergewöhnlich. Mein Alltag spielt sich bis auf wenige Stunden in einer warmen Höhle ab. Mein Zuhause bietet mir Schutz vor Wind und Feinden, seine Wände sind feucht, unentwegt tropft Honig an ihnen entlang. Die Dunkelheit macht mir nichts aus, schließlich habe ich von Natur aus eine gewisse Sehschwäche. Meine Wohnung steht nicht an einem einzigen Ort, sie kann gehen und fliegen, schlafen, essen und sogar geilen Spaß haben…”
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Renate Demuth, Kaiserslautern:
”Doodesunndaa”
Siegertext des Wettbewerbs im November 2023
Aus Wolgeungetiem trobbst Traurichkäät
Herbschtwind strusst Bejm unn Straich
roppt ab, was net vun selwer landt
dobt wierich außer Rand unn Band
vun jetzt uff gleich
Fescht ingehogelt zum Kapellche nuff
met Fieß bleischwer unn schwach
Gesichder blääch unn ingefall
kää Hoffnungsschimmer Iwwerall
droht Ungemach
Gää diefschde Seelequal es treeschdend Wort
met Kerze Chorgesang
Manch wundes Herz fiehlt sich beriehrt
aus Jammerdal enausgefiehrt
o holder Klang
Hejmzus uff wäächem Blädderdebbich gehn
rot-gold kunschtvoll genuch
Im Staune lächelnd findt de Blick
ins lichtbloo Himmelszelt serick
zum Kranichzuch
Renate Demuth, Kaiserslautern:
”Einfach zauberhaft”
Siegertext des Wettbewerbs im Oktober 2023
”Kaum war es vorbei mit dem Räkeln, dem Strecken, dem Augenreiben nach dem Aufwachen kurz vor Mitternacht, verspürte sie den Wunsch, es trotz aller negativen Erfahrungen wieder einmal zu versuchen. Sie glaubte, vor Energie bersten zu müssen, zum Mausetotärgern allerdings fand sie wieder einmal den Klang ihrer Stimme. Sie wusste um ihr Handicap, und so verteilte sie den Inhalt einer Großpackung Apotheker-Pastillen gegen Heiserkeit auf beide Backentaschen. Reden müsse nicht unbedingt sein, ermutigte sie sich selbst. Reizlos oder gar langweilig war sie beileibe nicht und keinesfalls zu übersehen…”
Johann Seidl, Freising (ex aequo):
”Duden Wortwelten”
Siegertext des Wettbewerbs im September 2023
Zwischen Knopflochseide und Kopenhagen
Das Nichts umgarnen mit Gütermann Seide No. 40
mit Steppnähten und Zierstichen
in Quantensprüngen das schwarze Loch in mir
Leben als Kopenhagener Deutung
bis zum Kollaps der Wellenfunktion
Renate Demuth, Kaiserslautern (ex aequo):
”Oh je, du Fröhliche”
Siegertext des Wettbewerbs im September 2023
STILLE NACHT, HEILIGE NACHT
Lautsprechergedeens
IHR KINDERLEIN KOMMET
Reitschulgeduddel
MACHT HOCH DIE TÜR
Sunndaaskaafrausch
O DU FRÖHLICHE
Schwarze Zahle alleweil
ES IST FÜR UNS EINE ZEIT ANGEKOMMEN
Unnerm Kunschtschneeplasdikbaam
Brodwerscht im Stroßedreck
ALLE JAHRE WIEDER
Kää Dorchkomme beim Gliehwein
„Himmel-Sakra nochemol!„
ICH STEH AN DEINER KRIPPEN HIER
Glitzerfubbes in de Dasch
Fettblagge uffem Jubbe
Drigge im Maa
Newwel im Kobb
WIE SOLL ICH DICH EMPFANGEN
Ebbes vor Johre Velornes
deckmols vemisst
huddlich gesuucht
steckt bees schammereert
irchendwo unnerm Kruuscht
WEIHNACHTSFRIEDE
Renate Demuth, Kaiserslautern:
”Alles ganz anders”
Siegertext des Wettbewerbs im August 2023
„Warum? Warum nur ist auf einmal alles ganz anders? Ich mache die Augen auf und kenne mich nicht mehr aus, bin verloren gegangen in einer fremden unheimlichen Welt. Mir ist, als wäre ich gefangen in einem finsteren Verlies. Wie ist das möglich? Verzaubert? Verhext? Vielleicht eine Strafe? Aber eine Strafe wofür? Ich begreife nicht, was mit mir passiert. Den ganzen Tag über war ich zu Hause. Ein Tag gewöhnlich, eher ruhig, fast ein bisschen langweilig. Ich habe alles genau so gemacht, wie es sein muss. Streit hat es überhaupt nicht gegeben. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Warum sagt es mir keiner? Ich möchte es endlich hören, dieses zärtlich geflüsterte Alles-wird-gut, Alles-wird-gut. Nichts wird gut. Im Gegenteil – es wird immer schlimmer…”
Bettine Wagner-Friedewald, Kaiserslautern:
”kindheiten”
Siegertext des Wettbewerbs im Juli 2023
wie leben wir denn
warum so
und nicht anders
was einst zählte
wirkt weiter
bis zum heute und noch
was hoffen wir denn
warum dies
und nicht jenes
es gab helles und dunkles
das uns streifte
als kind
wie träumen wir denn
warum so
und nicht anders
wir sahen dinge
die uns prägten
schon früh
wie lieben wir denn
warum so
oder anders
eine ahnung von welt
gespeichert in uns
aus den tagen von einst
hoffend träumend liebend
mäandern wir
durch die jahre
tanzend oder taumelnd
welche wege wir nehmen
weit zurück führt die spur
Peter Herzer, Kaiserslautern:
”Der Unfall”
Siegertext des Wettbewerbs im Juni 2023
”Helmut fuhr gerade noch so bei Gelb über die Ampel im Zentrum von Kaiserslautern. Gespannt schaute er in den Rückspiegel und zählte: 2 Sek. später ein Audi, nach 4 Sek. ein Opel, sicher bei Rot. Nach 6 Sek. gab eine Frau in einem SUV mächtig Gas und brauste über die belebte Kreuzung. Eine Gruppe Jugendlicher wich gerade noch zurück. Beim Überholen schaute sie neugierig mit Handy am Ohr zu ihm rüber, ihre Blicke kreuzten sich kurz – das Äußere passte gar nicht zu dem prompt im Hirn kreierten Klischee…”
Ursula Dörler, Kaiserslautern/Stelzenberg:
”Miteinander allein”
Siegertext des Wettbewerbs im Mai 2023
zwei
miteinander allein
getrennt zusammen
nicht richtig
auseinander
nicht richtig
beieinander
eigene Wege gehen
allein selbstverliebt
fremdeln
aneinandergeraten
auseinandersetzen
einander nähern
einander verlangen
quantisiert berühren
aufeinander übereinander
richtig durcheinander
zu zweit
Das Copyright für alle hier veröffentlichten Texte liegt bei den Autorinnen und Autoren.
Ausschreibung für den internen Schreibwettbewerb
Der Einsendeschluss ist am letzten Tag des Monats.
Format: Arial 12, ca. 1 DIN A‑4-Seite.
Die Texte werden anonymisiert, dann den beteiligten Autoren zur Bewertung zugeschickt. Es werden 1 und 2 Punkte vergeben (insgesamt 3 Punkte). Die eigenen Texte werden nicht bewertet.
Die offizielle Auswertung erfolgt in ca. der 1. Woche des Folgemonats.
Das Votum wird an Margit Kraus (krausmargit@gmail.com) geschickt.
Lyrik und Prosa werden i.d.R. im Wechsel ausgeschrieben. Das heißt, in ungeraden Monaten Lyrik und geraden Prosa.
Der Gewinnertext/die Gewinnertexte erscheint/erscheinen dann im nächsten RS, auf unserer Homepage und werden für eine spätere Anthologie gesammelt.